n3tw0rk.org gibt es nicht mehr.
Über 11 Jahre lang haben wir, das Moderations-Kollektiv, n3tw0rk betrieben, um einen Raum für Diskussionen, Info-Austausch, gegenseitige Hilfestellungen, Terminankündigungen und "Szene"reflexion zu bieten. Wir glauben, dass wir damit auch einige Jahre "erfolgreich" waren. "Erfolgreich" dabei in dem Sinne, dass das Angebot angenommen wurde und n3tw0rk Platz geboten hat, den es sonst so nicht gab.
Seit längerem beobachteten wir aber abnehmende Aktivitäten auf n3tw0rk, Diskussionen wurden kaum mehr geführt und auch vieles, was "sich so tut" in (sub-) "Szenen" der radikalen Linken in Wien und darüber hinaus hatte nur noch wenig Präsenz auf n3tw0rk (exemplarisch seien hier etwa die aktuellen Refugee-Proteste erwähnt). Dieses abnehmende Interesse an dem Unterfangen n3tw0rk (auch bei den Moderator_innen) führte schließlich zu dem Entschluss, n3tw0rk stillzulegen.
An dieser Stelle wollen wir auch ein paar Einschätzungen abgeben, wie es dazu gekommen ist. Erstens war n3tw0rk als Diskussionsforum mit Registrierungspflicht für einige Jahre als relativ "sicher" wahrgenommen. Diskussionen auf n3tw0rk wurden von keiner Suchmaschine erfasst, was auf n3tw0rk geschrieben wurde war nicht sofort für das gesamte Internet einsehbar. Nachbesprechungen und Reflexionen von Demos, Aktionen und Diskussionen waren häufig. Einige Zeit konnten wir als Moderation auch relativ gut Fasch@s und Repressionsbehörden als solche erkennen und folglich auch deren Mitlesen und -posten zu einem gewissen Grad unterbinden. Spätestens mit den Repressionsschlägen 2008 und 2010, aber auch den zeitgleich zunehmenden Protesten gegen den WKR-Ball (die in den ersten Jahren maßgeblich von einer autonom-antifaschistischen Szene getragen wurden) änderte sich sowohl unsere Einschätzung, wie viel Repressionsbehörden mitlesen und womöglich -schreiben, als auch (offensichtlich) jene der "User_innen": Mit der präsenten Repression kam es immer seltener zu ausführlicheren Szenereflexionen. (Und dabei nehmen wir uns selber definitiv nicht aus!) n3tw0rk verlor zunehmend den Charakter eines "sicheren Raumes" (ob das jemals zutraf, sei dahingestellt, in der Wahrnehmung und Nutzung spiegelt sich das unseres Erachtens aber wieder). Mit dem Verlust dieses Charakters machte aber auch die grundsätzliche Entscheidung, ein Board mit notwendiger Registrierung zu betreiben und dort auch mitzuposten, immer weniger Sinn.
Zweitens -- und etwa zeitgleich mit dem oben skizzierten -- kamen spätestens ab 2010 auch in der radikalen Linken Web 2.0 Dienste en vogue: Für viele (und so auch uns, den Moderator_innen) wurden besonders Twitter und Facebook zunehmend wichtigere Informationsquellen, die außerdem die Möglichkeit bieten, über die Szene und über Wien hinaus Kontakte zu knüpfen, Debatten mitzubekommen und an Diskursen bis in den Mainstream hinein mitzuwirken. Darüber hinaus sind diese Dienste dank zunehmender Erschwinglichkeit und Verbreitung von Smartphones auch zwischendurch, in der Arbeitspause, an der Haltestelle, etc. zu benutzen -- und wer n3tw0rk am Smartphone benutzt hat, weiß, dass das auf n3tw0rk sicher nicht zutrifft ;-). Dass twitter aufgrund des Formates für stichhaltige Diskussionen quasi unbrauchbar ist und zumindest Facebook ein einziger Datenschutz-Albtraum ändert offensichtlich wenig an der Popularität (und ganz oft geht es ja auch nicht um ausführliche Diskussionen). Die Kombination dieser beiden Entwicklungen (so zumindest die Einschätzung mancher Moderator_innen) machte n3tw0rk zunehmend unattraktiv: Warum relativ mühsam Texte kopieren, selber formatieren und links einfügen, wenn es für twitter und Facebook mit einem Klick "geteilt" werden kann? Warum Diskussionen führen und Infos sammeln, wenn sie nur für relativ wenige zugänglich sind, aber dafür ziemlich sicher auch von Fasch@s und Repressionsbehörden gelesen werden?
Selbstverwaltete Strukturen schaffen - auch im Netz!
Dabei haben Twitter, Facebook und viele andere Web 2.0 Dienste ganz offensichtliche Schwächen: Vermarktung der User_innen als Werbezielgruppe als Geschäftsmodell -- und damit einhergehend "tracking, was geht". Leichter Zugriff auf User_innendaten für Behörden, Unmöglichkeit, die eigenen Spuren zu löschen, zentralisierte Macht (über Weiterentwicklung uvm.) bei einem Unternehmen und vieles mehr sollte sich eigentlich schlecht mit Ansprüchen radikaler linker Politik vertragen.
Aus diesem Grund wollen wir dazu aufrufen, selbstverwaltete Strukturen im Netz aufzubauen, zu erhalten und zu unterstützen! Spendet an riseup, Autistici/Inventati & Co. was euch möglich ist. Eignet euch Technologien selber und gemeinsam an! Tauscht mit anderen eure PGP-Keys aus, Installiert euch Jabber und OTR und schreibt euch verschlüsselt statt auf Facebook Chat oder DMs auf Twitter! Fragt bestehende Technik-Kollektive um Hilfe, falls ihr nicht weiter wisst! Frickelt mit bestehenden Lösungen, schraubt herum und schaut was geht - es gibt mehr als WordPress Blogs in diesem Web!
Wenn wir durch n3tw0rk etwas gelernt haben, dann dass die rein technische Problemstellung meistens zweitrangig ist. Viel wichtiger und schwieriger zu lösen sind die sozialen und politischen Fragestellungen, die sich auch bei Technik-Projekten auftun: Fragen der Infrastrukturerhaltung, (Wissens-) Hierarchien, Zugang, Organisierung, Umgang mit Herrschaft und Diskriminierung, uvm. - also Fragen, die sich bei jedem selbstverwalteten Raum, bei Veranstaltungsreihen, etc. ebenso auftun.
radikale Geschichte
Durch den Umstand, dass n3tw0rk 11 Jahre bestand, kam als Nebeneffekt ein ansehnliches Archiv zustande. Einige Informationen auf n3tw0rk sind wohl (fast) nur noch dort zu finden gewesen. Für uns ist es wichtig, dass diese Zeitdokumente nicht vollkommen verschwinden, dass nicht das einzige was bleibt akademische Abhandlungen (mehr oder weniger "von außen" statt von mittendrin) oder Verfassungsschutzberichte sind. Dennoch gibt es bis auf weiteres keine Archiv-Lösung für n3tw0rk. Das hat den einfachen Grund, dass es uns noch Kopfzerbrechen bereitet, wie wir die Informationen zur Verfügung stellen können, ohne Daten von User_innen zu exponieren. Eine Lösung, die sämtliche Diskussionen nach jahrelanger Beschränkung auf registrierte Benutzer_innen plötzlich ganz öffentlich zugänglich macht ist ebenso unattraktiv wie eine, die weiterhin laufende Infrastruktur-Erhaltung notwendig macht. Falls wir aber eine Lösung finden, werdet ihr es an dieser Stelle erfahren. Außerdem könnt ihr uns auf identi.ca und twitter folgen, dort wird es auch Updates geben, falls sich etwas tut.