Gegen nationalsozialistisches Heldengedenken - Hessmarsch stoppen!
60 Jahre Befreiung vom Faschismus - Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Kein internationaler Aufmarsch der NationalsozialistInnen zum Gedenken des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel!
Gegen deutsche Opferlügen -
Gegen nationalsozialistisches Heldengedenken
NS-Verherrlichung Stoppen!
Wunsiedel Aktionstag 2005
20. August 2005
Seit dem Tod des Kriegsverbrechers Rudolf Hess im Jahr 1986 - er erhängte sich in alliierter Haft in Berlin - dient sein Todestag der deutschen und internationalen nationalsozialistischen Bewegung als Anlass, dem Nationalsozialismus zu huldigen.
60 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus werden am 20. August im bayerischen Wunsiedel also erneut tausende europäische NationalsozialistInnen zum Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess und zur Verherrlichung des Nationalsozialismus aufmarschieren. Diese Demonstration darf seit dem Jahr 2001 unter der Leitung des Hamburger Nazifunktionärs Jürgen Rieger wieder legal im Ort Wunsiedel durchgeführt werden, wo die Grabstätte von Rudolf Hess liegt. Im vergangenen Jahr beteiligten sich etwa 4.800 Personen an dem Aufmarsch. In der nunmehr 18-jährigen Geschichte der Hessmärsche war das die bisher höchste Teilnehmerzahl und für die internationale nationalsozialistische Bewegung das befriedigende Ergebnis einer langjährigen Kampagne.
Die antifaschistische Bewegung Deutschlands will diese Demonstration nicht länger hinnehmen. Deshalb sind Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen und aller politischer Gruppierungen aktiv geworden. Mit einem gemeinsamen Antifascist Actionday wollen wir massive Präsenz im Ort Wunsiedel zeigen. Wir wollen deutlich machen, dass die deutsche und internationale antifaschistische Bewegung nicht bereit ist, die Nazis ungehindert ihre Geschichtsfälschung betreiben zu lassen. Im Gegenteil wollen wir diesen Tag aber auch nutzen, um gerade vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages der Befreiung, als AntifaschistInnen zusammen zu kommen. Die Erfahrung und Lehren der Überlebenden des Befreiungskampfes und der Vernichtungslager soll für die Jüngeren von uns Anregung und Leitbild sein. Wir hoffen daher, dass der Antifascist Actionday nicht nur nach außen hin den antifaschistischen Widerstand deutlich werden lässt, sondern auch den Aufbau der internationalen antifaschistischen Bewegung vorantreibt.
Rudolf Hess war bereits 1920 der NSDAP beigetreten und wurde schnell zu einem der engsten Vertrauten von Adolf Hitler. Als Hitler-Stellvertreter war der fanatische Antisemit am Aufbau der NS-Diktatur, der Annexion Österreichs und des Sudetenlandes und an der Verfolgung und Ausgrenzung der deutschen Juden und Jüdinnen führend beteiligt. Er ist als Person und in seinen Funktionen untrennbar mit der NSDAP und dem Nationalsozialismus verbunden. Rudolf Hess hat sich nie von den Verbrechen des Nationalsozialismus distanziert. Im Prozess gegen die 22 Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg erklärte er: " ... Ich bereue nichts. Stünde ich wieder am Anfang, handelte ich wieder, wie ich gehandelt habe, auch wenn ich wüsste, dass am Ende ein Scheiterhaufen für meinen Flammentod brennt. ... "
Von den heutigen Nazis wird Hess zum "Friedensflieger" umgelogen, weil er 1941 nach Großbritannien flog, um dort angeblich einen Separatfrieden mit England abzuschließen. Der Hintergedanke dieses Unternehmens war es, die Front gegen die Sowjetunion zu stärken. Mit dem Mythos Hess wird der gesamte Nationalsozialismus verherrlicht: Das nationalsozialistische Deutschland habe eigentlich den Frieden gewollt, ihm sei jedoch von den "verbrecherischen" Alliierten der Krieg aufgezwungen worden. Die Verbrechen des Nationalsozialismus werden damit insgesamt geleugnet, das Hitlerregime als Opfer einer internationalen Verschwörung dargestellt.
Eine besondere Bedeutung erlangt der Hessgedenkmarsch durch die internationale Beteiligung. In den letzten Jahren beteiligten sich u.a. Abordnungen von Neonazis aus Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, der Schweiz, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Russland sowie den USA.
Mit dem Hessgedenkmarsch ist es den Nazis gelungen, eine legale Grundlage für die offene Huldigung des Nationalsozialismus zu schaffen. Der Hessmarsch gewinnt an Bedeutung für das Anwachsen einer generations- und parteiübergreifenden Nazibewegung. Nazis unterschiedlichsten Alters, verschiedener sozialer Herkunft und mit teilweise gegensätzlichen politischen Werdegängen und kulturellen Hintergründen finden in ihrer Verherrlichung des Nationalsozialismus zusammen. Bei den Treffen mit Volksfestcharakter nähern sich in Wunsiedel so SS-Greise, Naziskins, Hitler-Jugend-VerehrerInnen in Braunhemd oder Dirndl, gepiercte Hatecore-Fans, RevanchistInnen und ParteifunktionärInnen an. Damit erhält der Hessmarsch für das Selbstverständnis der Nazibewegung eine enorme Bedeutung.
Seit dem Jahr 2003 ist die NPD offiziell dabei. 2004 gingen an der Demonstrationsspitze neben dem Anmelder Jürgen Rieger der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und Holger Apfel, mittlerweile NDP-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag, womit die Parteispitze deutlich repräsentiert war. Auch drei bundesweit führende Kader der "Freien Nationalisten", Thomas Wulff, Thorsten Heise und Ralph Tegethoff, die sich erst im Oktober 2004 als NPD-Neuzugänge präsentiert hatten, traten in hervorgehobener Position auf.
Die Wahlerfolge bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im September letzten Jahres boten den Rechtsradikalen zahlreiche neue Möglichkeiten. Insbesondere der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag mit einem Ergebnis von 9,2% - fast 200.000 Wähler und Wählerinnen gaben der NPD ihre Stimme - sichern eine enorme Medienpräsenz und ermöglichen eine wahrnehmbare Beeinflussung öffentlicher Debatten.
Die bundesrepublikanische Gesellschaft reagiert angesichts dieser neuen Stärke konsequent hilflos. Ein ernsthaftes Vorgehen gegen das volksverhetzende Treiben der Neonazis erschiene auch wenig glaubhaft: die oft eingeforderte "politische Auseinandersetzung" mit den Rechtsradikalen scheitert daran, dass diese bereits in der Mitte der Gesellschaft existierende Debatten lediglich zuspitzen. Besonders deutlich wird das an der Auseinandersetzung um den Begriff "Bombenholocaust", den ein sächsischer NPD-Abgeordneter als Synonym für die Zerstörung Dresdens anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus verwendet hat. Der Begriff sorgte für bundesweite Empörung und brachte sogar eine Debatte über ein zweites NPD-Verbotsverfahren ins Rollen. Nicht thematisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise der von den bürgerlichen Medien hoch gelobte Historiker Jörg Friedrich in seinem Bestseller "Der Brand" längst die Gleichsetzung und damit Verharmlosung der Täter mit den tatsächlichen Opfern vollzogen hatte. Er bezeichnete die alliierten Bomberverbände als "Einsatzgruppen", brennende Luftschutzkeller als "Krematorien" und sah die deutsche Zivilbevölkerung "ausgerottet".
Die Unfähigkeit zu einer politischen Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen, die zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und auch mit dem eigenen Geschichtsbild sein müsste, führt auf der anderen Seite dazu, dass Provokationen - wie z.B. die Anmeldung des NPD-Aufmarsches zur Verhöhnung des 60. Jahrestages der Befreiung durch das Brandenburger Tor - lediglich mit einer weiteren Einschränkung des Demonstrationsrechts und dem Abbau demokratischer Grundrechte beantwortet werden.
Der 60. Jahrestag der Befreiung ist mehr als ein bloßes historisches Ereignis. Hier besteht eine der letzten Möglichkeiten, gemeinsam mit Überlebenden des Nationalsozialismus, mit aktiven GegnerInnen und WiderstandskämpferInnen zusammen zu kommen. Der Kampf gegen den Faschismus ist nicht abgewickelt, der Nationalsozialismus ist nicht aufgearbeitet und überwunden im Sinne der neuen deutschen Innen- und Außenpolitik. Die Verantwortung gegenüber den Opfern des Faschismus mahnt uns zum Widerstand gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus. Wir tragen individuelle Verantwortung dafür, dass FaschistInnen nie wieder Macht und Einfluss haben können.
Wir wissen, dass wir uns erfolgreich den Nazis entgegenstellen können, wenn wir dies gemeinsam tun. Wenn wir den Widerstand gegen den nationalsozialistischen Hess-Gedenkmarsch als Teil des internationalen Kampfes gegen Faschismus und Barbarei, für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben der Menschen begreifen, können wir diesen verhindern.
AntifaNet - International Anti-fascist Network for Research and Action
Ein Zusammenschluss von antifaschistischen Initiativen und Organisationen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Russland, Schweden und den USA.
Für weiter Informationen und Materialien siehe:
http://www.ns-verherrlichung-stoppen.tk
oder Anfrage per Mail an: