01.11.2010

Völkisches Kellertreiben

Von aktuellen und kontinuierlichen Umtrieben völkisch-deutschnationaler Verbindungen.

Am Wochenende 19.-21. November findet in Wien ein Kommers des Wiener Korporationsrings (WKR) statt. Der WKR vereint über zwanzig Studentenverbindungen von "national-freiheitlich" bis offen rechtsextrem. In jüngerer Vergangenheit sind der WKR und die in ihm organisierten Burschenschaften durch (Proteste gegen) den WKR-Ball Ende Jänner sowie den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, Alter Herr der Burschenschaft Olympia, und seinen (teils nun ehemaligen) Mitarbeitern auf breiteres öffentliches Interesse gestoßen.

Das dieses Wochenende stattfindende Burschenschafter-Event fällt dabei mit dem 143. Stiftungsfest der Burschenschaft Oberösterreicher Germanen in Wien sowie dem 150. Stiftungsfest der Wiener Akademischen Burschenschaft Silesia zusammen. Während erstere derzeit den Vorsitz des Wiener Korporationsrings stellt, feiert mit der Silesia ausgerechnet eine Burschenschaft ihr schon viel zu langes Bestehen, die sich in jüngster Zeit – mutmaßlich aufgrund der herannahenden Jubiläumsfeierlichkeiten – eifrig bemühte, der Olympia den Stellenwert als am weitesten rechts außen stehende Studentenverbindung Österreichs streitig zu machen.

Gute Zeiten, Schlechte Zeiten

Im März diesen Jahres veranstaltete die Silesia – in Eigendefinition eine "Schule der Ehre, der edlen Sitte und des Mannesmutes" – eine Party in einem Gürtelbordell, dessen Besitzer kurz darauf u. a. wegen des Vorwurfs des Frauenhandels verhaftet wurde. Dazu passend brachte schon der Einladungsflyer für die Veranstaltung das sexistische burschenschaftliche Verständnis von der Rolle der Frau (gefügig, konsumierbar und möglichst nackt) in aller zu erwartenden Ekelhaftigkeit auf den Punkt. Für größeres mediales Aufsehen sorgte allerdings der Umstand, dass im Verlauf des Abends dem Silesen Hubert Keyl, der nach Angaben von Bundesbrüdern seine Ehefrau Elisabeth attackiert hatte, von der lokaleigenen Security das Gesicht zertrümmert wurde – und dass Elisabeth Keyl, ihres Zeichens Sekretärin Heinz-Christian Straches, schließlich Ex-VAPO-Kader Gottfried Küssel als Verstärkung rief. Bei Hubert Keyl handelt es sich um den persönlichen Referenten von Nationalratspräsident Martin Graf und einen einst (?) Vertrauten Ewald Stadlers, was neben den Geschehnissen bei der Silesia-Feier mutmaßlich mit ein Grund zum Ausschluss aus der eher FPÖ-treuen Silesia führte. Stadlers aktueller Mitarbeiter Patrick Blackmore hingegen trat gleich freiwillig aus, um vor dem verbindungsinternen Scherbengericht nicht gegen Keyl aussagen zu müssen.

Eine illustre Gesellschaft...

Anfang November nahm dann eine breitere Öffentlichkeit Notiz von den braunen Umtrieben eines anderen Silesen: Benjamin F. heißt der "feine Herr Neonazi" (O-Ton Ewald Stadler), dessen Vater in seinem Brotberuf als Verfassungsschützer gegen eben jene neonazistische Clique rund um Alpen-Donau hätte ermitteln sollen, in deren Umfeld sich sein Sohn seit Jahren mutmaßlich bewegt. Dieser Umstand dürfte den schleppenden Fortgang der Ermittlungen gegen die neonazistische Webseite und ihr Umfeld zum Teil erklären. Diesen Veröffentlichungen folgte bald eine Aussendung der Silesia, in der sie erklärte, F. jun. ausgeschlossen zu haben und sich gegen die Annahme, sie hege Sympathien oder unterhalte gar Kontakte zu neonazistischen Kreisen verwahrte. Offen bleibt damit, wie den Angehörigen einer derart NS-abholden Verbindung über Jahre einschlägige Aktivitäten ihres Bundesbruders entgehen konnten, die inzwischen bereits denkbar Außenstehenden (wie der ÖH an der Universität Wien oder dem antifaschistischen Bündnis noWKR) aufgefallen waren. Ebenso verblüffend ist wie einer, der etwa mit, teils korporierten, rechtsextremen Kameraden im Mai 2009 eine Veranstaltung mit Ariel Muzicant am Juridicum durch antisemitische und NS-verherrlichende Zwischenrufe beinahe sprengte, von den Silesen gar zum Sprecher (und damit ihrem Vertreter nach außen) gewählt werden konnte. Unbeantwortet bleibt auch wieso F. noch bis vor kurzem als "Aktiver" mit exquisiten Hosenträgern in den – wohlwollend interpretiert – preußischen Farben schwarz-weiß-rot auf der Silesia-Website posieren konnte und ob dem Ausschluss F.s nun auch die Chassierung jener Silesia-"Fuxen" folgt, die Stadler zufolge in den "versuchten Schmuggel vollautomatischer Waffen nach Österreich" involviert sein sollen (und was mit diesen Waffen etwa geplant gewesen sein mag).

Dabei ist Benjamin F. mit seinem einschlägigen Interesse in der Silesia nicht alleine: So war auch Michael U. Teil jener Gruppe um F., Sebastian Ploner und den Küssel-Vertrauten Felix Budin, die im Herbst 2008 eine antifaschistische Demonstration attackierte. Ebenfalls mit dabei ein gewisser Martin S., der laut Medienberichten im Verdacht steht, lange Zeit die Administration von Alpen-Donau.info inne gehabt zu haben. Silesias Alter Herr und Landesgeschäftsführer der FPÖ Wien Hans-Jörg Jenewein referierte 2008 für die – in der Diktion des Verfassungsschutzes – ausgeprägt NS-affine Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP). Auch Karl Eggl, der für die FPÖ die Kontakte zur Hardcore-antisemitischen und antiziganistischen Jobbik in Ungarn pflegt und gleichzeitig dem freiheitlichen Nationalrat Werner Neubauer den Kaffee kocht, ist Teil des jüngst so fragil erscheinenden "Lebensbundes".

Diese Beispiele alleine aus der Silesia stellen eindrücklich dar, wie förderlich Burschenschaften für völkisch-deutschnationales Gedankengut sind. Würde die Silesia diese Personen ebenso wie Benjamin F. ausschließen würde sich in Bälde die Frage stellen, wer eigentlich der Vereinsbehörde die Auflösung der Burschenschaft anzeigen soll – oder aber ob die Silesia möglicherweise gar kein Problem mit Rechtsextremismus hat, sondern selber eines ist?

... in illustren Räumlichkeiten

Eine ehrwürdige Gesellschaft wie diese Burschenschafter bedürfen klarerweise eines besonderen Rahmens: Da der WKR-Ball im Jänner in den imperialen Räumlichkeiten der Wiener Hofburg abgehalten wird verwundert es nicht, dass WKR-Kommers am Samstag Abend im Wiener Rathauskeller stattfinden wird. Dass ein rechtsextremer Kommers im Untergeschoss des Rathauses im "Roten Wien" ohne Protest, etwa seitens der SPÖ-geführten Stadtregierung mit kürzlicher Beteiligung der Grünen ablaufen kann, mag auf den ersten Blick verwundern. Aber schon bei der Demonstration gegen den WKR-Ball 2010 zeigte die Stadt Wien und somit die SPÖ eindrücklich, dass von ihrem Antifaschismus jenseits von Lippenbekenntnissen und leeren Phrasen wenig zu erwarten ist. Im Gegenteil, die SPÖ scheint rechtsextreme Veranstaltungen zu protegieren: Jegliche Form einer Kundgebung oder gar Demonstration gegen den rechtsextremen WKR-Ball wurde untersagt. Als sich trotzdem etwa tausend Aktivist_innen am Europa-Platz einfanden, griff die Polizei zu – in Wien in den vergangenen Jahren einmalig – harten Mitteln: Die gesamte Demonstration inklusive zufällig anwesender Passant_innen wurde eingekesselt und am losgehen gehindert, weiters wurden zwei Wasserwerfer aufgefahren und zig Demonstrant_innen mit Pfefferspray und körperlich attackiert. Das abgesperrte Areal durfte nur nach schikanöser Personalienfeststellung verlassen werden – eine Prozedur, die Stunden dauerte. Seitens der Polizei wurde verlautbart, die Anweisung die Demonstration auf jeden Fall zu unterbinden käme "von ganz oben". Und ganz oben in diesem Sinne, das steht außer Zweifel, ist in Wien die SPÖ und allen voran Bürgermeister Michael Häupl.

Quote mal anders

Das Rathaus ist freilich auch aus einem anderen Blickwinkel interessant: Nicht erst seit der Gemeinderatswahl im Oktober besteht ein Gutteil des FP-Rathausklubs aus völkisch Korporierten. Die Freiheitlichen Partei ist damit (wie zunehmend auf allen Ebenen) stark in der Hand der Burschenschaften. Besonders stark vertreten ist etwa die Burschenschaft Aldania mit Dominik Nepp (RFJ-Obmann), Johann Herzog (Obmann-Stellvertreter des Vereins zur Pflege des Grabes des Nazi-Fliegers Walter Nowotny), Eduard Schock und anderen. Aber auch die Burschenschaft Olympia ist vertreten, durch Dietbert Kowarik und Alfred Wansch.

Daran wird sichtbar wie Burschenschaften es ermöglichen rassistische, antisemitische, sexistische und homophobe Einstellungen in parteipolitische Gremien und andere Gesellschaftsbereiche zu tragen – oft wird ihre Rolle auch als Scharnierfunktion beschrieben. Angesichts der aktuellen Verfasstheit des völkisch-deutschnationalen Lagers sind jegliche Trennungen und Grenzziehungen zwischen offen neonazistischen auf der einen und parlamentarisch Organisierten Rechtsextremen auf der anderen Seite jedoch nur noch mit viel Fingerspitzengefühl zu finden. Und der weiteren Vernetzung dieses Lagers - vermutlich auch über die Grenzen von Österreich und Deutschland hinaus, es war z.B. Jean-Marie Le-Pen in der Vergangenheit Gast beim WKR-Ball - wird auch der anstehende WKR-Kommers dienen.

{rosa antifa wien}