12.03.2014

Gegen Rassismus, gegen Kriminalisierung von Flucht und Migration

Am 17. März 2014 beginnt am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen 8 Personen, denen vorgeworfen wird, Teil einer "kriminellen Schleppervereinigung" zu sein. Sechs der Beschuldigten sind seit Anfang August 2013, also nun schon über sieben Monate, in Untersuchungshaft, zwei wurden erst im Februar 2014 enthaftet.

Einige der Betroffenen waren im Refugee-Protest aktiv. Wir sehen die Vorwürfe, Inhaftierungen und Anklagen als Versuch, Selbstorganisierung von Refugees, von Betroffenen des europäischen Grenzregimes in der Öffentlichkeit zu diffamieren und durch Kriminalisierung zu unterbinden. Denn es kann kein Zufall sein, dass die Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und "Schlepperei"-Vorwürfe (teilweise mit öffentlich vorgetragenen - aber haltlosen - Vorwürfen der Gewaltanwendung seitens der Innenministerin und anderer) unmittelbar auf die Verhaftung und Abschiebung von 8 Refugees des Refugeeprotests und der breiten Solidarisierung gegen dieses rassistische Vorgehen folgten. Schubhaft, Abschiebungen und Kriminalisierung durch "Schlepperei"-Vorwürfe sind verschiedene Ausdrücke der herrschenden rassistischen Justiz und Gesetzgebung. Gemeinsam ist ihnen, dass Migration und Flucht kriminalisiert werden soll: Bewegungsfreiheit ist ein Privileg einer Minderheit während sie für Millionen von Menschen mit massivem Aufwand und menschenverachtender Rücksichtslosigkeit immer weiter eingeschränkt wird.

Was bleibt, außer "Schlepperei"?

Mit "Schlepperei" (§ 114 Fremdenpolizeigesetz) werden Menschen kriminalisiert, die anderen bei der Einreise in bzw. Durchreise durch die EU helfen. Laut Gesetzestext müsste zwar eine Bereicherungsabsicht gegeben sein, in der Praxis wird diese Bereicherungsabsicht schon dadurch als gegeben angesehen, wenn z.B. Geld für Zugtickets, Essen oder Unterkunft genommen wird. Mit "Schlepperei" werden praktisch alle Menschen kriminalisiert, die anderen bei der Flucht helfen, während in der Öffentlichkeit ein dämonisiertes Bild von profitgierigen und gewalttätigen Menschen vermittelt wird, mit dem verlogenen Unterton, dass hier doch "die Ärmsten der Armen" ausgebeutet würden. Die damit zum Opfer stilisierten Refugees kümmern in der EU aber auch nur in diesem speziellen Setting: Üblicherweise können Abschiebungen nicht schnell genug durchgeführt werden, Gewalt gegen kriminalisierte Migrant_innen ist in Österreich durchaus legitimierbar und akzeptiert, sei es durch Schubhaft (und damit Freiheitsentzug), Abschiebungen und rassistischer Kontrollen. Sogar Folter durch Polizist_innen zieht selten weitreichende Konsequenzen nach sich.

Alternativen zur Flucht mit Fluchthilfe gibt es kaum: Ohne EU-Visum (und das ist für den Großteil der Menschheit unerreichbar) ist eine legalisierte Einreise in die EU nicht möglich: Die EU-Außengrenzen wurden in den letzten Jahren immer stärker militarisiert, die "Abwehr" von Flüchtenden beginnt mittlerweile schon weit vor den Grenzen der EU: Sei es auf offener See oder etwa in Nordafrikanischen Staaten, die mittels Zusage finanzieller Unterstützung dazu gedrängt werden, Refugees schon weit vor Europa abzufangen: Erst in den vergangenen Tagen versuchten hunderte Refugees, die EU-Außengrenze in Form meterhoher Stacheldrahtzäune in der spanischen Enklave Ceuta zu überwinden, was aber durch marokkanische Polizist_innen verhindert wurde. Davor gab es Berichte, dass Refugees versuchten, schwimmend Ceuta zu erreichen. Die spanische Polizei feuerte zur Abschreckung Gummigeschoße ab. Das Resultat: 15 Refugees starben durch Ertrinken.

In Verhältnissen, wo bewusst Tote in Kauf genommen werden, wo täglich Menschen unter Gewaltanwendung eingesperrt und abgeschoben werden, wo selbstorganisierte Flucht und Migration mit militärischen Mitteln und jährlich wachsenden Budgets und ganzen Industriezweigen unterdrückt werden sollen ist es zynisch, verlogen und menschenverachtend, Kriminalisierung von Fluchthilfe mit Verweis auf Gewaltanwendung oder Bereicherungsabsicht zu legitimieren. Migration findet statt - und wir wehren uns entschieden dagegen, Migration in irgendeiner Form zu "steuern" oder zu verhindern. Alle Menschen müssen sich frei bewegen und dort bleiben können, wo sie wollen!

Unsere Solidarität gilt den wegen "Schlepperei" Angeklagten!
Unsere Solidarität gilt allen Refugees, die tagtäglich mit massiver Repression konfrontiert sind!
Für die Bewegungsfreiheit für alle!