06/2020

Kein Gott! Kein Staat! Kein Patriarchat!


Keine liberal-feministischen Lippenbekenntnisse oder – im Pride-Month –regenbogenverzierte Schaufensterscheiben täuschen darüber hinweg: Es tobt ein erbitterter Abwehrkampf gegen jede Form von Gleichstellung und Anti-Diskriminierung, geprägt von Sexismus, Rassismus und LGBTIQ*-Feindlichkeit.

2020. Im #türkisgrünen Regierungsprogramm kann eins queere oder feministische Anliegen weitgehend mit der Lupe suchen. Die Regenbogenparade ist corona-bedingt abgesagt. Das Corona-Krisenmanagment wird primär von weißen Cis-Männern beherrscht, während die Last der sogenannten 'systemerhaltenden Tätigkeiten' mehrheitlich von F*L*I*N*T* Personen getragen wird.

Natürlich war das schon vorher so, aber die Covid-19-Pandemie hat patriarchale Arbeits“verteilung“, Benachteiligung und Ausbeutungsverhältnisse nochmal verdeutlicht. Wer vorher marginalisiert war, ist es jetzt erst recht. Rettungspakete für Sexarbeiter_innen sucht eins vergeblich. Die gibt es nur für Konzerne, Fluglinien und natürlich türkise Wahlkampfspender. Während für Männerfußballspiele scheinbar endlos Testkapazitäten zur Verfügung stehen, gibt es die für die „Systemerhalter_innen“ nicht. Die werden mit Applaus-Klatscherei und weiterhin geringem Gehalt abgespeist.

Keine liberal-feministischen Lippenbekenntnisse oder – im Pride-Month –regenbogenverzierte Schaufensterscheiben täuschen darüber hinweg: Es tobt ein erbitterter Abwehrkampf gegen jede Form von Gleichstellung und Anti-Diskriminierung, geprägt von Sexismfus, Rassismus und LGBTIQ*-Feindlichkeit.

Christenfundis und Klerikalfaschist_innen

Wie schon in den letzten Jahren, rufen auch dieses Jahr diverse christliche Fundamentalist_innen und Klerikalfaschist_innen zum "Marsch für die Familie" als Protest gegen die – nicht stattfindende – Regenbogenparade auf. Die "Familie", die sie meinen, darf für sie einzig aus "Vater, Mutter, Kind(ern)" bestehen und soll als "Keimzelle des Staates" dem traditionellen und patriarchalen Machterhalt dienen. Sexualität darf sich – wenn es nach den Ideologien der katholischen Fundamentalist_innen geht – lediglich auf Reproduktion beschränken, Verhütung und Abtreibung werden abgelehnt. Das ist nicht nur Ausdruck einer zutiefst heteronormativen, frauen*feindlichen Ideologie, sondern auch einer völkisch-rassistischen "Bevölkerungspolitik". Hilfsbischof (auch Weihbischhof genannt) Laun macht es deutlich worum es geht: "Wenn Europa die eigene Bevölkerung ausrottet, wird es zu einem großen Altersheim. Es entsteht ein Vakuum, in das andere Völker einströmen." Es geht also um die "Rettung des christlichen Abendlandes" und das passt bestens zur rassistischen Hetze der FPÖ oder Kampagnen von Neonazis und Faschist_innen die von "Umvolkung" oder (medienkompatibler, aber gleichbedeutend) "Austausch" fabulieren. 

Scheiß Staat 

Die Ansichten und Forderungen der Christenfundis und Klerikalfaschist_innen als lächerlich abzutun wäre fatal, denn die Realität zeigt, dass ein großer Teil der im Parlament sitzenden Parteien diese in vielen Punkten teilt. Ein geplanter Gleichstellungsschutz für LGBTIQ* Personen – um sich z.B. gegen Diskriminierung in Lokalen wehren zu können – wird seit Jahren von der ÖVP (egal ob schwarz oder türkis), unter kräftiger Mitwirkung des rechtskonservativen Männerbundes Cartellverband (CV), verhindert. Familien- und Beziehungskonstellationen, die nicht der erwünschten "Keimzelle des Staates" entsprechen, werden, wo es nur geht, die Gleichstellung verwehrt. Trans*Personen werden nach wie vor pathologisiert und mit Gesetzen und Willkür schikaniert.

Femizide und (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen* werden noch immer vielfach ignoriert oder teilweise bagatellisiert (vor allem dann, wenn der Täter weiß und „Inländer“ ist). Wird von rechten, reaktionären oder bürgerlichen Kreisen über Gewalt gegen Frauen* gesprochen, dann fast ausnahmslos mithilfe rassistischer Narrative. Damit soll patriarchale Gewalt externalisiert und somit als ein „Problem der anderen“ dargestellt werden. Damit wird eine umfassende Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* verhindert und der weiße Cis-Mann kann weiterhin Profiteur patriarchaler Machtverhältnisse bleiben.

Feministsche Gewaltschutzeinrichtungen – ein Großteil wurde von der autonomen Frauenbewegung gegründet – werden kaputtgespart oder sollen durch andere, am besten parteinahe, Betreiber_innen ersetzt werden.

Die rassistischen, menschenverachtenden "Asylgesetze" treffen in Kombination mit der vorherrschenden LGBTIQ*-Feindlichkeit Refugees, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Genderidentität flüchten mussten, mit mehrfacher Härte. Kurz: viele Parteien im Parlament, sowie die Ministerien und Behörden arbeiten an einem rassistischen, heteronormativen, cissexistischen und patriarchalen Machterhalt.

Pro Choice is Ois!

Die katholische Kirche (die in Österreich nach wie vor über riesigen Grundbesitz und große finanzielle Ressourcen verfügt)und ihre Vertreter_innen und Anhänger_innen werden nicht müde, die Fristenlösung, welche einen Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Bedingungen straffrei macht, zu attackieren. Sie fordern ein komplettes Verbot, wohl wissend, dass eine Kriminalisierung von Abtreibung vielen ungewollt Schwangeren das Leben kosten würde. Die Rollenzuschreibung für Frauen* ist klar: Sie sollen gebären, bei "Heim und Herd" bleiben und die Kinder aufziehen. Pro Choice ist für sie "Sünde" und die "Bereitschaft zur Fruchtbarkeit" Pflicht.

Reaktionärer Shit

Jedes noch so kleine (queer)feministische Schrittchen in Richtung Gleichstellung(en), selbstbestimmterem Leben (sofern dies in dieser Gesellschaft überhaupt möglich ist) oder Anti-Diskriminierung ruft sofort einen Aufschrei der Empörung der reaktionären Kräfte hervor. Sofort ist die Rede von "Moral und Werteverfall". Die "Werte", die sie meinen, sind die ewiggestrigen Dogmen von vermeintlicher "Normalität". Alle, die nicht in ihre Schubladen passen oder das auch einfach nicht wollen, werden gehasst und sind zu bekämpfen. Es ist ein Kampf um Macht und Machterhalt.

Antifeministische Allianzen

Natürlich eignen sich Feminist_innen – vor allem jene, die unbequem und laut sich nicht mit den hingeworfenen Brotkrumen zufrieden geben – besonders gut als Feindbild. (Queer)Feminismus wird als "Gender-Terror" oder "Gender-Wahn" bezeichnet. Dieser Antifeminismus ist eine wichtige Schnittstelle zwischen (Klerikal)Faschist_innen, Neonazis, Rechtskonservativen und Rechtsextremen, und bietet auch einem liberaleren Spektrum genügend Anknüpfungspunkte. Artikelfüllend ereifern sich (meist weiße Hetero-Cis-Männer) über die Unverschämtheit von feministischen Forderungen. Dabei wird einfach mal so ein bisschen was vom rechten und rechtsextrem geprägten Wording übernommen. Der Erhalt von patriarchalen Privilegien ist ein einender Moment und bildet die Grundlage für solch breite Allianzen. Gemeinsam bilden sie einen massiven anti-feministischen und anti-emanzipatorischen Backlash.

Surprise, auch unter Grüner Regierungsbeteiligung wird es keinen starken Antidiskriminierungsschutz für LGBTIQ* Menschen geben. Die Anzahl der antisemitischen und rassistischen Angriffen nimmt ständig zu. Die rassistische Hetze und menschenverachtende politische Praxis gegen Geflüchtete wird immer heftiger. Die Frauen*- und LGBTIQ*-feindlichen Stimmen immer lauter. Reproduktive Gerechtigkeit rückt in weite Ferne. Der gesellschaftliche Rechtsruck normalisiert sich (auch wenn die FPÖ noch mit Ibiza beschäftigt ist).

Kurz: Olles Oarsch! Doch eins muss klar sein, wir werden keine Ruhe geben! Wir werden weiter gegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und LGBTIQ*-Feindlichkeit kämpfen! Nicht zuschauen und schweigen, sondern laut sein und dagegenstellen! Für ein freies und solidarisches Miteinander!

Bildet Banden! Smash Patriarchy!
My Body - My Choice!
Smash the cis-tem!

Stand Juni 2020