§248 / Abs 11
Widerstandswoche 29
Staatsgewalt und Gericht
Charles O.: Nachdem er im Vorjahr etliche Monate als "Drogenboß" in U-Haft saß, mittlerweile ALLE Verfahren nach dem Suchtmittelgesetz gegen ihn eingestellt wurden, wird ihm nun der Prozeß wegen "falscher Zeugenaussage" und "Beteiligung an einer kriminellen Organisation" gemacht.
Widerstand gegen die Staatsgewalt: Weil ein Mann aus Afghanistan einen Einbrecher im Haus vermutet hatte, holte er die Polizei. Da diese keinen fand, versuchte diese, den Hilfesuchenden zu perlustrieren. Aus Angst sprang er aus dem Fenster er hatte schon zuvor Kontakt zur hiesigen Exekutive. Nun sitzt er im Rollstuhl (zwei gebrochene Fersenbeine) und drei Monate im Gefängnis (unbedingt) ... wegen Widerstand.
Prozeß gegen Justizbeamte: Nachdem im Herbst 1998 (!) ein aus der Türkei kommender Mann in Schubhaft beinahe taub "wurde", geht die Salzburger Staatsanwaltschaft jetzt gegen vier Justizbeamte vor. Deren Version: Der Mann hätte seinen Kopf wild hin und her bewegt, und sei an der Wand ODER dem Eisengitter angestoßen.
Erschossen wurde ein unbeteiligter Motorradfahrer bei der Jagd auf einen Räuber in NÖ. Die Medien sind sich fast einig: Es könnte der Räuber gewesen sein. "Gendarm erschoß Passanten" meint hingegen die nunmehr papierlose "Täglich alles". Eine Obduktion soll stattfinden. Der mutmaßliche Räuber wurde ebenfalls abgeschossen. Netterweise hat er wenigstens bislang überlebt ... geraubte Summe: 8000, Schilling.
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SchwarzBlau
Watchlist: Kampagnen gegen Kinderschänder haben Hochkonjunktur. Männergewalt gegen Frauen ist kaum Thema. Daß die TäteR meist aus dem "familiären" Umfeld stammen, auch nicht. Hauptsache hetzen!
Teilweises Berufsverbot für Straffällige: fordert Frau Zierler. Resozialisierung nicht auf Kosten der Opfer, also Sexualstrafregisterkartei, zentrale Meldestellen als Mittel der Bekanntmachung und Berufsverbot zumindest im pädagogischen Bereich ...
Flat Tax, Neuauflage XY: Mehr Steuern für die unteren Einkommensschichten, weniger für die oberen, "die beste Förderung für den kleinen Mann", meint Haider. Kleine MÄNNER gäb's dann vielleicht mehr ...
Rechter Strategiekongreß: soll im Herbst in Wien stattfinden. So es nach "Querdenker" und neuerdings beliebtem ORF-Gast Mölzer geht. Genaueres wissen wir noch nicht.
Außerdem sind die Blauen zunehmend verärgert über die WeiseN. Die wollen bislang nicht mit ihrem "Chef" reden.
Dänische Volkspartei in Solidarität mit unserer Regierung: Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) sei mit den Stasi-Archiven vergleichbar, meinte deren Chefin anläßlich ihres Besuchs in Wien. Informationen über den Unterkunftsort waren leider zu spät verfügbar ...
Italien: Der dortige Außenminister forderte unsrige Regierung auf, "alle zur Verfügung stehenden Mittel zu ergreifen", Haiders Besuche in Italien in Hinkunft zu verhindern. Haiders Standardantwort: "Undemokratisch".
Vatikan: Im Zuge der Weihnachtsbaumübergabe wird Mr. Papst vermutlich nicht umhin kommen, unseren Hrn. Haider zu empfangen schließlich spendet Kärnten einen solchen. Schade aber auch.
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Kunst, Kultur & Die ökonomische Effizienz
Institutionen einfach zusperren ist ja wohl undemokratisch, oder? Also evaluieren, evaluieren und noch einmal evaluieren. Privatwirtschaftlich, versteht sich. Im Kulturbereich sind zur Zeit u. a. folgende betroffen: CCW Kulturzentrum Wolkenstein. Dokumentationsstelle für neuere öst. Literatur. Droschl Verlag. IG AutorInnen. International Albert Drach Gesellschaft. Kunsthaus Mürzzuschlag. Kunstverein Wien. Literarische Verwertungsgemeinschaft. Löcker Verlag. Öst. Exilbibliothek. Passagen Verlag. Public Netbase t0. Residenz Verlag. Theater in der Josefstadt. Und die komplette öst. Verlagsförderung ... Evaluieren wird die KGMP Alpentreuhand. Verwandtschaftliche Kontakte zum Kunststaatssekretariat sind wohl Zufall.
Privatradiogesetz neu: Zur Zeit geplante Änderungen wären z. B. die Schaffung einer Medienbehörde (Bestellung der MitgliederInnen auf zehn Jahre durch den Bundeskanzler), Streichen der Lokalfrequenzen, Neuregelung der Beteiligungsverhältnisse (100% Beteiligung eines Medieninhabers soll möglich werden). Quasi eingeplant wäre das Ende offener Radios ... "Die wirklich freien Radios sind die Komerziellen", so der Staatssekretär.
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Die armen Neonazis und ihre bösen Eltern
Letztere sind schuld. Eh klar. Einmal mehr spült die mediale Erwähnung rechter Randale die Familie in den Vordergrund. Würden die Eltern alle brav erziehen, hätten wir keine. So einfach ist das also. Im Übrigen macht jetzt auch die EXPO mobil: Zu Lichtermeer und Trommeln gegen rechts wurde aufgefordert.
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Sonst noch
gibt's einen neuen UNO-Bericht: "WTO ist Alptraum für die Menschenrechte".
Courage! Fürchtet Euch nicht!
"Neu regieren", möchte Wolfgang Schüssel Österreich. Was ist nun das wirklich Neue außer Wolfgang Schüssel? Die Angst. Wirkliche Angst, die Menschen vor dieser Blau/Schwarzen Regierung haben. Vage Ahnungen. Befürchtungen. Daß hier eine autoritäre Entwicklung am Weg ist.
Es ist ja nichts passiert bis jetzt? Nein? Es ist viel passiert. In den ersten hundert Tagen. Es ist viel passiert und sie haben vier Jahre Zeit ...
Vier Menschen sind gestorben. Bei der Polizei. In den letzten zwei Wochen. Durch die ganz normale Polizeiroutine. Und vier Jahre Zeit ...
Vermummte Sondereinheiten verhaften drei Aktivisten gegen Schwarz/Blau. Monatelange Untersuchungshaft. Eine Polizeirazzia in einem Parteilokal der Grünen. Weil sie dagegen protestieren. Und vier Jahre Zeit ...
Wahrscheinlich haben die EU-Sanktionen bis jetzt Schlimmeres verhindert.
Währenddessen wird der durchschlagendste Umbau des Sozialsystems in der 2. Republik betrieben. Hundert Tage. Und vier Jahre Zeit.
Vier wichtige Posten werden neu besetzt: Mit Parteigängern von ÖVP und FPÖ. In der verstaatlichten Industrie, in Ämtern und Behörden, bei Polizei und Justiz, den Medien. Das ist ein Filz zum Machterhalt, der sich nicht mehr so leicht wegkriegen lassen wird. Vier Jahre Zeit ...
Wie es weiter geht? Das einfache FPÖ-Mitglied Jörg Haider verlangt "Sanktionen" gegen politische Mandatare, bis hin zum Bundespräsidenten, die gegen die "Interessen des Staates" verstoßen. Justizminister Böhmdorfer meint in einem ersten Reflex, eine solche Anregung sei "sicher verfolgenswert". Tatsächlich "verfolgenswert". Im Zweifelsfall bestimmen die Inhaber der Amtsgewalt, was die "Interessen des Staates sind" und wer "verfolgt" wird. Und was passiert wohl mit den unbotmäßigen Bürgern, wenn alle unbotmäßigen Abgeordneten bis hin zum Bundespräsidenten eingeschüchtert und "sanktioniert" sind?
Sondergesetze? Heimtückeverordnung? Totalitäres Denken? Nichts von alledem.
Die FPÖ ist eine demokratische Partei. Hump ist Dump und Umpf ist Trumpf! Wie es weiter geht?
"Der Nationalsozialismus hat niemals eine Lehre gehabt in dem Sinne, daß er Einzelheiten oder Probleme erörterte. Er wollte an die Macht ... Wenn heute einer fragt, wie denkt ihr euch das neue Europa, so müssen wir sagen, wir wissen es nicht. Gewiß haben wir eine Vorstellung. Aber wenn wir sie in Worte kleiden, bringt uns das sofort Feinde und vermehrt die Widerstände ... Heute sagen wir: 'Lebensraum'. Jeder mag sich vorstellen, was er will. Was wir wollen, werden wir zur rechten Zeit schon wissen."
Wer das gesagt hat? Joseph Goebbels, 1940.
Schwarze Menschen sagen, daß sie nur mehr Angst vor der Polizei haben. AusländerInnen gehen ungern auf die Straße. Jüdinnen und Juden werden wieder angepöbelt. Und auch viele andere ÖstereicherInnen fürchten sich. Allein vor der Drohung, die im Raum steht. Vor dem, was noch nicht ausgesprochen wird.
Das Klima hat sich verändert. Auch im Alltag. Nicht nur in der großen Politik. Und diese Angst ist gerechtfertigt.
Was tun? Zusammenstehen. Sich gegenseitig Mut machen. Und verstehen: Wer Haider überwinden will, darf nirgendwo wegschauen, wo Menschen verfolgt und drangsaliert werden. Muß zu denen halten, die bedroht werden. Egal ob man/frau diese Menschen kennt oder es völlig unbekannte sind, Leute die man/frau mag oder verabscheut, egal welche Hautfarbe sie haben, welches Geschlecht und welche Gesinnung. Wer Haider aufhalten will, muß sich zu Wort melden: Auch wenn es Drogendealer sein sollten, die im Gefängnis zu Tode kommen oder gleich bei der Verhaftung erschossen werden. Weil niemand umgebracht werden darf und: Weil man bei einer Polizei, die sich eine solche Leichtfertigkeit im Umgang mit Menschenleben erst einmal angewöhnt, nicht weiß, wo sie halt macht.
Die Angst gehört dazu, es kommt darauf an, trotzdem das Richtige zu tun. Nur eine Gesellschaft, für die Solidarität unteilbar ist, wird die Parole ausgeben können:
Weg mit der Blau-/Schwarzen Regierung!
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