02.02.2001

§248 / Abs 33

Widerstandswoche 53

Pirker: "Kein Harem in der EU"
Wien Gegen einen Ettikettenschwindel bei der Zusammenführung ausländischer Familien in der EU wandte sieh EU-Abgeordneter Pirker (VP). Dieses Recht gelte nur für die Kernfamilie gab, er zu bedenken "Einen ganzen Harem nach Europa mitzunehmen, ist nicht im Interesse der Unionsländer."
Neue Kronen Zeitung vom 20. Jänner 2001
Was ist ein Politiker, der so etwas sagt?
Ein Staatsmann, hart an den Winden des Wählers? Um Völkerverständigung und -freundschaft aufrichtig bemüht? Immun gegen das Gift des Chauvinismus? Ein Freund der Schwachen, Wehrlosen und Sprachlosen? Was ist eine Zeitung, die so etwas veröffentlicht? Ein seriöses Blatt? Sozusagen ein Muster an Weltoffenheit, gediegen jeden Morgen auf's Neue um ein Klima der Achtung und des Repekts vor allem Andersgearteten bemüht? Ein Spiegel ihrer großen Zeit, der hohen politischen Kultur in diesem Land?
Was ist nun eine Öffentlichkeit, die zu all dem schweigt? Jawohl, genau dies: Fremdenfeindlich, Menschenverachtend, ekelerregend. Oder hat ein einziger von Euch ja Euch, die das gelesen haben (schließlich kauft ihr sie ja alle, jeden Morgen, die verdienstvolle "Kronen Zeitung") hat also jemand von Euch dieser Ungeheuerlichkeit nur ein Zehntel an Aufregung gewidmet, die ihr an andere Nichtigkeiten verschwendet? Die "EU-Sanktionen" beispielsweise, wie fandet ihr die? Ungerechtfertigt? Grundlos? Weil sich jedes Land seine Regierung selber wählen können muß?
Genau: Und die Erde ist eine Scheibe.
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Mütter und Väter
Die "Mutter aller Wahlschlachten" entpuppt sich zusehends als Vater aller Dummheiten. Ist es nicht ein bißchen gar zu plumpes Vorgehen beim WählerInneneinseifen, wenn uns die Freiheitliche Partei das Rot-Grüne Schreckgespenst an die Wand malt von wegen "Rot-Grün bedeutet Drogenfreigabe". Oder kennt sich die Freiheitliche Partei so wenig aus mit dem Föderalismus im Staate Österreich, daß sie nicht weiß, wer allein Drogen erlauben oder verbieten kann? Kleine Nachhilfe in Staatsbürgerschaftskunde gefällig? Von den kompetenten JuristInnen vom "$ 248"?
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), Artikel 10, (1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten: [...] 6. [...] Strafrechtswesen mit Ausschluß des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; Justizpflege; Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen; Verwaltungsgerichtsbarkeit; [...]; 7. Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei; [...] Seltsam, aber so steht's geschrieben.
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4. Februar 2001: Sechs Jahre nach der Ermordung von vier Roma in Oberwart
In der Nacht auf den 5. Februar 1995 wurden in Oberwart Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und Erwin Horwath durch eine Rohrbombe getötet. Am 4. Februar 2001 jährt sich dieser Anschlag zum sechsten Mal. Die rechten Tendenzen in Österreich sind nicht erst ab 4. Februar 2000 sichtbar geworden. Franz Fuchs, der Bombenbauer, wurde von Politik und Medien als Einzeltäter stilisiert, das politische Umfeld der Attentate blieb unbehelligt
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Nachruf auf Hilmar K.
Wir werden ihn vermissen, ehrlich wahr: Keine Hump-Dump-Wortakrobatik mehr, keine Sicherheitslokalaugenscheine in übelbeleumundeten Gürtellokalitäten, schwere Zeiten für Zuckerbäcker ... Was nachkommt? Worte statt Torte: "Schwarzafrikaner schauen nicht nur anders aus, (...) sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie besonders aggressiv". Wer das gesagt hat? Seine Nachfolgerin Helene Partik-Pablé nach dem Tod von Marcus Omofuma.
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Und aus!

SOS Repression in Graz

Der folgende Bericht kommt von "Mayday 2000" Graz: Wir sind eine Gruppe von Studierenden, SchülerInnen und anderen engagierten Menschen, die in Graz seit Februar 2000 Protestaktionen "gegen Schwarz-Blau, gegen Rassismus, Sexismus und Faschismus" organisieren. Unser Vorgehen in erster Linie Kundgebungen, Plakate, Flugblätter, Veranstaltungen und kleinere Aktionen war und ist friedlich, trotzdem sind wir seit Monaten von einer polizeilichen Repression betroffen, wie sie uns bisher unbekannt war und die z. T. existenzbedrohend geworden ist. Wir können es auch so formulieren: Unsere Lage ist inzwischen verzweifelt. Unser Bericht ist ein SOS.
Seit etwa einem Jahr hat sich das Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Graz gegenüber parteiungebundenen regierungskritischen Gruppen massiv verschärft. Bereits während der letzten Monate zeichnete sich eine Tendenz ab, durch zahlreiche Anzeigen, Verfahren, unverhältnismäßig hohe Geldstrafen und unangemessene Polizeieinsätze den legalen Spielraum für außerparlamentarischen Widerstand einzuschränken und politische aktive Leute einzuschüchtern. Besonders problematisch ist dabei das Vorgehen der Staatspolizei (= Abteilung I, BPD Graz) und der Sondereinheit "Taurus". Betroffen sind vor allem AktivistInnen und SymphatisantInnen der Gruppe "Mayday 2000", aber auch andere Jugendliche und Studierende, die sich abseits politischer Parteien gegen die Regierung engagieren. Inzwischen hat die Repression ein Ausmaß erreicht, das für die aktivsten Leute existenzbedrohend ist: Sie werden von der Staatspolizei mit einer solchen Anzahl an Anzeigen und Verfahren überhäuft, das allein die Prozeß- und Anwaltskosten geschweige denn die Summe der Geldstrafen noch bewältigbar ist. Immer mehr scheint es den Sicherheitsbehörden darum zu gehen, gezielt einzelne Personen, besonders aus dem Umfeld der Gruppe "Mayday 2000", nicht nur mundtot zu machen, sondern wirtschaftliche Existenzen zu zerstören. Für völlig friedliche Aktionen Kundgebungen, Flugblätter verteilen, Plakate anbringen, Versammlungen werden ständig gegen dieselben Leute Verwaltungsstrafen verhängt bzw. Gerichtsverfahren eingeleitet, und egal, ob zu Recht oder zu Unrecht, allein die Menge an Zeit und Geld, die diese Verfahren kosten, überschreitet heute die Grenzen des Machbaren. Denn auch wenn Verfahren nach einiger Zeit eingestellt werden und es zu keiner Verurteilung kommt, so bleiben den Betroffenen trotzdem Anwaltskosten und beträchtlicher Zeitaufwand. Wenn es noch dazu immer wieder dieselben AktivistInnen trifft, Personen ohne finanzielle Ressourcen bzw. mit minimalem Einkommen, so reicht das, um ein normales Leben mehr und mehr zu verunmöglichen. Die Gruppe "Mayday 2000" wurde in mündlichen und schriftlichen Äußerungen der Behörden erfolgreich zum Feindbild des einfachen Polizeibeamten aufgebaut (so werden wir für alles, was an politisch linken oder auch nur regierungskritischen Aktionen passiert, verantwortlich gemacht), so daß bloße Zugehörigkeit die Leute darunter auch SchülerInnen zur Zielscheibe von Festnahmen, Polizeiübergriffen, Geldstrafen und persönlichen Drohungen macht. Die Überwachung ist so intensiv, daß in den wenigsten Fällen noch Personalienfestellungen nötig sind: Selbst z. B. Personen, die erst seit wenigen Wochen bei "Mayday 2000" mitarbeiteten oder einmal offen die Aufkleber dieser Gruppe trugen, wurden sofort registriert, fanden sich als angebliche "Rädelsführer" in Berichten über Aktionen wieder und erhielten wenig später exorbitant hohe Strafverfügungen. Häufig kam es vor, daß AktivistInnen von der Polizei auf angebliche Übertretungen nicht einmal hingewiesen, dafür aber nachhinein und zwar gleich mehrfach bestraft wurden. Entlastende Materialien "verschwinden" auf Amtswegen. Die Anzeigen der Staatspolizei enthalten immer offener politische Wertungen und diskriminierende Äußerungen. Durch die Konstruktion verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestände wie z. B. "Anstandsregelverletzung" wird massiv in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingegriffen. Teilweise haben manche Betroffene zu Gegenmaßnahmen gegriffen: Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, Beschwerde beim UVS, Veröffentlichung von Polizeiübergriffen. Doch der Preis dafür ist hoch, finanziell und was die persönliche Sicherheit betrifft. Wenn sich nicht bald die Situation grundlegend, bedeutet das nicht nur das Ende einer bestimmten Form des friedlichen politischen Aktionsmus in Graz und die Fortschreibung eines immer stärker um sich greifenden Klimas der Angst und der Resignation, sondern für einzelne Betroffene auch eine ernsthafte Bedrohung ihrer persönlichen Existenz.

Was die Lage in Graz noch zusätzlich erschwert, sind drei wesentliche Faktoren:

* Die politisch aktive Szene, insbesondere die linke Szene, ist sehr klein, d. h. wer sich engagiert, ist bald einmal polizeibekannt. Gleichzeitig gibt es kaum Möglichkeiten, sog. "Soli-Arbeit" zu betreiben (z. B. durch Feste u. ä. finanzielle Mitteln für die Rechtshilfe auszutreiben)
* Es existiert keine Rechtshilfe. AnwältInnen, die uns kostenlos oder sehr billig helfen würden, gibt es in der Regel nicht (mit nur wenigen Ausnahmen), ebensowenig wie in Sachen politischer Verfahren erfahrene rechtskundige Personen.
* In Graz gibt es keine öffentliche Kritik am Vorgehen der Polizei. Obwohl einzelne Leute im Bereich der Oppositionsparteinen uns individuell und engagiert helfen, äußern diese Parteien oder andere politische Organisationen keine Kritik, wenn es zu Polizeiübergriffen oder Repressionsmaßnamen kommt. Nicht zu Unrecht kann dadurch die Polizei den Eindruck bekommen, daß es kaum jemanden kümmert, wenn für eine Gruppe und ihren Umkreis Menschenrechte verletzt werden.

Chronik von Vorfällen:

Am 5. Februar 2000 verhaftete die Polizei aufgrund eines friedlichen Sit-Ins einer Handvoll Jugendlicher nach dem Ende einer Kundgebung von "Mayday 2000" vier DemonstrantInnen und zeigte sie wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" an. Die Verhafteten hatten mit dem Sit-In, das der Anlaß für den Polizeieinsatz gewesen war, nichts zu tun gehabt, sondern sich bereits am Heimweg von der Demonstration befunden, als die Sondereinheit "Taurus" den Platz stürmte, wahllos auf mutmaßliche KundgebungsteilnehmerInnen losging, auf am Boden Liegende einprügelte und vier junge Leute festnahm. Gegen drei von ihnen fand ein Prozeß vor dem Straflandesgericht Graz statt, zwei kamen ohne Strafe davon, eine Studentin erhielt eine Geldstrafe von S 18.000,.
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Am 24. März 2000 trug bei einer Plattform-Demonstration gegen Schwarz-Blau ein junger Künstler eine textlich veränderte Version der Bundeshymne vor. Nur einen Tag später zeigte ihn die Abteilung I der BPD Graz als angeblichen Aktivisten von "Mayday 2000" wegen Verdachts der "Herabwürdigung der Republik Österreich" an, die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin die Voruntersuchung ein. Nach nervenaufreibenden Monaten wurde das Verfahren schließlich eingestellt.
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Im Laufe des März wurde sogar ein Infostand von "Mayday 2000" Gegenstand einer staatspolizeilichen Anzeige: Derselbe Beamte der Abteilung I, der die ordnungsgemäße Anmeldung der Versammlung entgegengenommen und deren Überwachung durch seine KollegInnen veranlaßt hatte (drei bis vier Staatspolizisten waren ständig anwesend), zeigte im nachhinein eine Aktivistin von "Mayday" beim Magistrat Graz wegen angeblich fehlender Genehmigung an. Die zuständige Beamtin stellte nach einiger Zeit ein.
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Bei einer Kundgebung gegen Schwarz-Blau am 30. März erhielten zwei DemonstrantInnen Anzeigen wegen "Verstoß gegen die Plakatierverordnung", weil sie Aufkleber von "Mayday 2000" (Größe laut Anzeige 20 mal 21 mm) an Dachrinnen und Laternenmasten geklebt hatten. Bezeichnenderweise schritten die Uniformierten nicht ein, sondern nur Beamte der Abteilung I.
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Am Abend des 19. Mai wollten drei Leute von "Mayday" regierungskritische Transparente an einem Baugerüst befestigen, was werde verwaltungs- noch strafrechtlich geahndet werden kann: Innerhalb weniger Minuten holte eine Großaufgebot von ca. 30 "Taurus"-Beamten mit den Worten "Gfraster, kommts runter" die AktivistInnen vom Gerüst und schob sie in einen Hauseingang. Als eine Bekannte der drei Leute die Amtshandlung beobachten wollte, wurde sie von den Polizisten weggedrängt, ein zufällig anwesender Richter des Straflandesgerichts Graz zeigte ihr seinen Dienstausweis und drohte wörtlich: "Wenn Sie nicht bald da weggehen, haben wir ein Problem. Wenn Sie sich weiterspielen, spielen wir was anders. [...] Und wenn Sie sich weiterspielen, sans bald eingesperrt." Auf die Frage eines Beteiligten, ob es Anzeigen geben werde, antwortete der Einsatzleiter: "Die Namen werden an die Staatspolizei weitergegeben, und die werden schon was finden." Als Folge dieses Vorfalls erhielt ein Aktivist eine Vorladung zur Staatspolizei, wo der vernehmende Beamte das Demonstrieren wörtlich als "Tyrannisieren und Belästigen von Mitbewohnern" bezeichnete und ihm eine Anzeige wegen Sachbeschädigung für Schwarzplakatieren androhte, und zwar mit den Worten: "Wenn wir uns bemühen, ist das ein Strafrechtsdelikt." Derselbe Beamte (Selbstbezeichnung "Linksextremismus-Sachbearbeiter") erklärte anläßlich einer Verhandlung vor dem UVS, bei der eine "Mayday"-Aktivistin gegen einige Verwaltungsstrafen berufen hatte, in der Pause auf die Frage eines Besuchers: "Wie ist denn das, wenn man so offen lügt?" "Wenn man es so macht, daß es wie Unwissenheit ausschaut, kann man es sich leisten. Sonst stünde ich heute nicht da, wo ich stehe."
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Bei einer Lapalie wie Schwarzplakatieren erwischt zu werden, wurde in dieser Zeit zunehmend unangenehmer: Wurden Fragen (wieviele Plakate geklebt etc.) von den Betroffenen nicht beantwortet, folgten Beschimpfungen ("linkslinkes Zeug"), Androhung von Festnahmen, z. T. mit bezeichnenden Wortmeldungen wie: "Wenn Ihr nicht reden wollts, dann holen wir die Staatspolizei, und die ziehen dann andere Saiten auf, dann schauts anders für Euch aus, dann redets."
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Im Juli und August 2000 verteilte "Mayday 2000" eine politische "Touristeninformation", die kritische Punkte in der Grazer Geschichte und das Wesen der FPÖ thematisierte und abschließend zum Urlaubsboykott aufrief. Die Lokalpresse verurteilte das Flugblatt als "heimatfeindlich", "Hetze gegen Graz" usw. und forderte rechtliche Konsequenzen. Die Abteilung I erstattete daraufhin Anzeige wegen "Verbreitung eines politischen Pamphlets gegen die derzeitige Regierung unter Vortäuschung einer amtlichen Information". Dabei stützte sich die Anzeige gegen die an sich völlig legale Broschüre einzig auf den Zusatz "Hergestellt auf Kosten des Landes Steiermark", der auf einmal auf der Kopie aufgetaucht war, die die Abteilung I nun an die Staatsanwaltschaft weitergab. Gegen eine Aktivistin von "Mayday", die die Staatspolizei in ihrem Bericht als "hauptverantwortlich" charakterisierte, wurden Vorerhebungen eingeleitet. "Mayday" beteuerte wiederholt, der Zusatz stamme nicht von der Gruppe, und bald stellte sich heraus, was wirklich passiert war: Ein Beamter der steirischen Landesregierung hatte in seinem Ärger über das Flugblatt eine Kopie der "Touristeninformation" an die Staatspolizei geschickt, diese Kopie aber an einem Gerät an seiner Arbeitsstelle produziert, das automatisch den Zusatz "Hergestellt auf Kosten des Landes Steiermark" hinaufdruckt. Zwei Beamte der Abteilung I hatten diesen Zusatz nicht nur, vermutlich wider besseres Wissen, "Mayday" angelastet, sondern auch noch entlastendes Material - konkret: ein ihnen zugeschicktes Originalexemplar ohne diesen Zusatz aus dem Akt "verschwinden" lassen. Das Verfahren wurde nach Monaten eingestellt, zurücklegt wurde aber auch eine Anzeige der betroffenen Aktivistin gegen die beiden für die Anzeige verantwortlichen Staatspolizisten.
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Am 6. Oktober versuchten etwa 12 junge Leute, darunter AktivistInnen von "Mayday", bei einer Wahlkampfveranstaltung der ÖVP am Grazer Hauptplatz ein kritisches Transparent inmitten zahlreicher Pro-ÖVP-Transparente hochzuhalten und drückten ihren Unmut über die Rede des Gastes E. Stoiber durch ein paar Zwischenrufe aus. Obwohl sie sich sogar bemühten, mit ihrem Transparent niemandem die Sicht zu verstellen und ihre Zwischenrufe nur in der allernächsten Umgebung hörbar waren (überflüssig zu sagen, daß niemand Pfeiferl oder etwas anderes auch nur mithatte), kam es am Ende der Veranstaltung zu brutalen Polizeiübergriffen auf die kleine Gruppe: Die Einheit "Taurus" zerrte sie unter Gewaltanwendung an den Straßenrand und hinter eine Tribüne. Noch während der Einsatzleiter die Ausweise verlangte, stürzten sich seine Beamten ohne Vorwarnung auf die Leute, stießen sie zu Boden, traten sie und schlugen zu, legten einigen von ihnen Handschellen an und zerrten sie in Seitengassen. Niemand wehrte sich oder leistete irgendeine Form von
Widerstand, sie versuchten nur, einander festzuhalten und durch Rufe auf sich aufmerksam zu machen. Auch ein Bekannter, der ihnen nur zu Hilfe kommen wollte, fand sich plötzlich am Boden und in Handschellen wieder.
Ein gerade 18jähriger z.B. wurde zu Boden geworfen, und drei Beamte stürzten sich auf ihn. Eine ÖVP-SympathisantInnen attackierte unter Duldung der Polizei einen anderen Aktivisten, der gerade mit Handschellen gefesselt wurde. Taschen wurden weggerissen, durchsucht, Sachen wie Flugblätter und Bücher weggeworfen. Arme wurden brutal verdreht, ohnehin schon enge Handschellen schmerzhaft zusammengepreßt Ein Aktivist trug ein Aufnahmegerät bei sich, die Polizisten hielten ihn fest, verdrehten ihm den Arm und bogen zu dritt seine Finger zurück, mit denen er das Gerät umklammerte. Als er sie später nach dem Diktiergerät fragte, erwiderte einer der Beamten: "Das ist verloren gegangen." Ein junger Mann, der einen Fotoapparat bei sich hatte, wurde von Staatspolizisten in eine Ecke gezerrt, gegen die Wand gestoßen, geschlagen und beschimpft: ein Beamter riß ihm die Kamera aus der Hand und suchte vergeblich nach dem Film. Ein Mitarbeiter von "Radio Helsinki" wurde daran gehindert, die Vorgänge aufzunehmen. Nachdem ihm ein Mann um die 50 Jahre im Anzug sein Aufnahmegerät aus der Hand geschlagen hatte, verlangte die Staatspolizei vom Radio-Mitarbeiter unter dem Vorwand der "Behinderung einer Amtshandlung" seine Personalien und drängte ihn weg.
14 Personen, und zwar auch Leute, die sich an der harmlosen Aktion nicht einmal beteiligt hatten, erhielten in der Folge Geldstrafen in der Höhe von je S 5400,. Genau die Hälfte der Angezeigten ist noch minderjährig, selbst 15jährige Schüler sind dabei. Bestraft wurden sie u. a. mit S 1800, wegen "Anstandsregelverletzung" für den Gebrauch des Wortes "Widerstand" in der Öffentlichkeit. "Sie haben durch den Gebrauch der Worte 'Widerstand, Stoiber ist ein Faschist, Stoiber ist ein Rassist' den öffentlichen Anstand verletzt. Das angeführte Verhalten widersprach der herrschenden Sitte und hat die allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit verletzt." Weil die Leute diese Worte lautstark gebraucht hatten (wie gesagt, es existiert sogar eine Tonbandaufnahme, die den absolut ungestörten Ablauf der Veranstaltung dokumentiert), sollen sie noch einmal S 1800, zahlen. Und weil sie sich in dieser öffentlich zugänglichen Veranstaltung versucht hatten, "vorzudrängen" (sie waren ungefähr in der Mitte des Platzes gestanden), erhielten sie wegen "Ordnungsstörung" ein weiteres Mal eine Strafe von S 1800,.
Als am 15. Oktober einige "Mayday"-AktivistInnen vor dem Sitz der Landesregierung Flugblätter über die Polizeiübergriffe am 6. Oktober verteilten, zeigte die Staatspolizei einen von ihnen wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz an (obwohl das Verteilen politischer Flugblätter keiner Bewilligungspflicht unterliegt).
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Am 25. Oktober fand eine Protestaktion gegen die Einführung von Studiengebühren statt: Etwa 40 Studierende versammelten sich zuerst am Universitätsgelände und spazierten dann in kleinen Gruppen am Gehweg in die Innenstadt, wo sie sich einer Kundgebung von LehrerInnen gegen Bildungsabbau anschlossen.
An einem Marktplatz hielten sich die meisten länger auf, diskutierten mit PassantInnen und verteilten an den Ecken Flugblätter. Einige gingen ein paar Minuten am Zebrastreifen auf und ab, so daß der Verkehr kurz ins Stocken geriet, bis die Polizisten sie von der Straße wiesen.
Dafür erhielten nun vier TeilnehmerInnen Strafverfügungen: Vorgeworfen wird ihnen, als AktivistInnen von "Mayday" "führend" an der Aktion, beteiligt gewesen zu sein, angezeigt wurden sie wegen sechs verschiedener Verwaltungsübertretungen bei der Polizei und beim Magistrat (darunter "Nichtanmeldung einer Versammlung" am Universitätsgelände (!), "Vorschriftswidriges Verhalten von Fußgängern", "Vorschriftswidriges Verhalten auf Gehsteigen" etc.). Allein das Strafamt der Grazer Polizei verhängte gegen alle eine Geldstrafe von je S 5000,, dazu kommen noch die Geldstrafen des Magistrats (könnte also auf bis zu S 10.000, für jede/n kommen).
Dieser Vorfall zeigt übrigens deutlich, nach welchen Kriterien die Staatspolizei Leute anzeigt: Die Aktion wurde einfach fälschlicherweise als Aktion von "Mayday" dargestellt, damit mußten automatisch der Polizei als "Mayday"-AktivistInnen bekannte Studierende dafür verantwortlich sein.
Einem Studenten wurde "führende Teilnahme" vorgeworfen, weil er einen "Mayday"-Aufkleber getragen und ein paar Sätze durch ein Megaphon gesagt hatte. Ein anderer Student wurde nur angezeigt, weil er die Protestaktion fotografiert hatte: "N. N. beteiligte sich führend am Protestmarsch, indem er stets bemüht war Fotos von der Protestaktion und den eingesetzten Exekutivbeamten zu machen, die vermutlich zur Veröffentlichung eines Berichtes im Internet als Bildmaterial dienen sollten. [...] da er von der gegenüber liegenden Straßenseite aus Fotos machte und offensichtlich nur darauf wartete, bis die Polizei mit Zwangsgewalt eine Räumung der Örtlichkeit durchführt." (Zitat aus der Anzeige)
Dazu ist zu sagen, daß jener Staatspolizist, der die Anzeige geschrieben hatte, genau diesem Studenten am 6. Oktober die Kamera aus der Hand gerissen und ihn geschlagen hatte, weil er die Polizeiübergriffe versucht hatte zu dokumentieren, und ihn erst kürzlich unter Druck gesetzt hatte, eine UVS-Beschwerde wegen dieses Vorfalls am 6.10. zurückzuziehen.

Marienbild und Psychoterror

Während Frauenministerin Haupt laut darüber nachdenkt, daß Frauen vielleicht doch lieber "nicht alleine" über eine Abtreibung entscheiden sollen, und danach nichts, aber auch schon gar nichts, damit gemeint haben will, wissen andere sehr genau, worauf sie hinaus wollen. Die sich selbst als "Lebensschützer" bezeichnenden AktivistInnen der Organisation Pro Life, setzen alles daran, eine Schwangerschaftsunterbrechung für die betroffenen Frauen so unangenehm wie mögliche zu machen. Ihr Ziel ist ein generelles Abtreibungsverbot, mit den bekannten Konsequenzen risikoreiche, medizinisch fragwürdige und überteuerte Eingriffe, und Kriminalisierung der Frauen.
Noch existiert in Österreich die Fristenlösung, die Abtreibungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten straffrei stellt. In Wien gibt es zwei private Kliniken, die solche Eingriffe durchführen. Das Ambulatorium am Fleischmarkt war schon wiederholt Ziel von Angriffen durch Pro Life. Ganz in der Nähe besitzen die "Lebensschützer" ein sogenanntes "Beratungszentrum", in dem Frauen mit medizinisch falschen "Tatsachen" und Horrormeldungen über die möglichen Auswirkungen einer Abtreibung in Angst versetzt werden sollen. Schon seit Herbst vorigen Jahres beziehen die rabiaten ChristInnen auch regelmäßig Aufstellung vor der Klinik Mairo im 2. Bezirk. Frauen, die die Klinik betreten werden als "Mörderinnen!" beschimpft, immer wieder kommt es zu tätlichen Angriffen. Nachdem eine Frau mit Gewalt vom Eingang weggeschleift wurde, sah sich die Leiterin der Klinik veranlaßt, einen privaten Wachdienst zu engagieren. Doch immer noch stehen beinahe täglich betende und schimpfende "Lebenschützer" vor der Klinik und versuchen die Frauen unter Druck zu setzen "Psychoterror" nennt das auch die Leiterin der Klinik. An manchen Samstagen rotten sich schon früh morgens gleich an die 50 Pro Lifer in der nahegelegenen Taborstraße zusammen, um in Prozession singend und betend zur Klinik zu ziehen, und dort eine Stunde zu verweilen. (Beim nächsten Mal werden wir eine Gegenkundgebung anmelden bitte vormerken!) Der Zug samt Rosenkränzen und Marienbildern lässt sich zwar an Lächerlichkeit kaum überbieten, doch kann einer/m das Lachen bei den sonstigen Praktiken des Vereins schnell vergehen.
Dieter Fischer, Oberguru im "harten Kampf an der Lebensschutzfront" (© Pro Life) hat die Wohnung, in die die Klinik Mairo eingemietet ist, gekauft und versucht nun sie mittels Räumungsklage aus dem Haus zu zwingen. Detail am Rande: Die rechtliche Vertretung übernimmt dabei die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff. Geradezu unglaublich widerwärtig ist die Argumentation, mit der die Räumungsklage durchgesetzt werden soll: "regelmäßig" würden "Frauen unter Schmerzen und Weinkrämpfen zusammenbrechen. Die offensichtliche Verzweiflung dieser Patientinnen" störe "in hohem Ausmaß das Zusammenleben ... Die Mieter werden regelmäßig mit körperlich geschwächten Frauen konfrontiert", heißt es da.
Das Recht jeder Frau über ihren Körper selbst zu bestimmen, wird in Zeiten blauschwarzer Familienideologie massiv bedroht. Während künstliche Befruchtung von der Krankenkassa bezahlt wird, werden Frauen, die sich gegen ein Kind entscheiden, angegriffen und terrorisiert, sollen Kliniken durch fragwürdige rechtliche Schritte zum Aufgeben gezwungen werden. Demgegenüber fordern wir Verhütungsmittel und Abtreibung auf Krankenschein. Das Recht jeder Frau über ihren Körper selbst zu bestimmen, muß von uns verteidigt werden.


für diese Ausgabe verantwortlich:
Grünalternative Jugend und Revolutionsbräuhof