§248 / Abs 41
Widerstandswoche 62
# FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky wird, wie er am Montag angekündigt hat, gegen Ariel Muzicant den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde klagen. Die Ursache sei Muzicants Aussage bei einem Interview mit der New York Times, daß Sichrovskys Grund für sein Engagement bei der FPÖ seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber seiner Exfrau und den Kindern sei.
# Am 28. 3. wurde in Traun (Linz-Land) die, in einem nicht genehmigten Zubau untergebrachten Moschee der, Islamischen Gemeinschaft abgerissen. Um Protesten vorzubeugen wurde das Gebäude Mittwoch früh, ohne die Islamische Gemeinschaft davon in Kenntnis zu setzen, von Baggern abgetragen, so Bezirkshauptmann Doleschal. Nun wird das freitägliche Gebet einstweilen im Freien abgehalten, um gegen das Vorgehen der Behörden zu protestieren. Nach einem neuen Gebetshaus wird in der Umgebung gesucht, nachdem ein Angebot die Trauner Kirche als neuen Versammlungsort zu nützen von der Islamischen Gemeinschaft abgelehnt wurde.
# An einer Trauner HAK (Linz-Land) wurden zwei 14-jährige moslemische Schülerinnen wegen ihrer Kopftücher bei ihrer Anmeldung abgelehnt. Die Sekretärin der Schule verwies dabei auf den Direktor, der das Tragen von Kopftüchern nicht wolle. Der Direktor Weingar-tner selber meinte dazu, daß die Abnahme der Kopfbedeckung einen Akt der Höflichkeit darstelle und somit in seiner Schule vorgeschrieben sei. Die beiden Schülerinnen werden nun eine Linzer Schule besuchen.
# Am Dienstag veröffentlichte die "Komission gegen Rassismus und Fremdenhass" (ECRI) des Europarates ihren Endbericht. Darin wird festgehalten, daß in Österreich Immigranten, Asylbewerber und Flüchtlinge weiterhin Opfer von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung sind. Außerdem wird in dem ECRI-Bericht "tiefe Besorgnis" über die rassistische und fremdenfeindliche Propaganda in der Politik geäußert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das diskriminierende Verhalten der Polizei Angehöriger von Minderheiten gegen-über. Weitere Informationen: www.ecri.coe.int
# Ein Zivildiener, der seinen Dienst im Innenministerium leistet, hat stellvertretend für österreichs Zivildiener eine Klage gegen das Innenministerium eingebracht. Ziel der Klage sei es laut Joseph Musil, dem Bundessprecher der Zivildiener, den finanziellen Anspruch auf Verpflegungsgeld von Zivildienstleistenden zu klären. Die in der Gebührennovelle zum Zivildienstgesetz beschlossene Regelung - der Rechsträger habe für eine "angemessene Verpflegung" zu sorgen - führe in den verschiedenen Einrichtungen in denen Zivildiener arbeiten, zu unterschiedlichsten Essensgeldern. Die Abgüterung für dienstfreie Tage reiche daher von 50 bis 150 Schillinge. Eine einheitliche, übersichtliche Regelung wird angestrebt.
# Im Waldviertel findet diese Woche unter dem Namen Künringer die größte Bundesherübung des Jahres statt. 8500 Soldaten sind im Einsatz um für den Notfall vorbereitet zu sein. Dazu der Militärkommandant Nö. Johann Crilik: "Morgen [Anm. Mittwoch] soll also die Übung anlaufen, das heißt morgen werden sich die Verteidiger zur Verteidigung einrichten, und der Angreifer wird sich für den Angriff bereitstellen. Somit soll es dann zu einem freien Verlauf der Übung kommen, wo die Kommandanten frei entscheiden dürfen, wie sich die Lage entwickelt."
# Aufgrund der Kärntner Volksabstimmung vom 10.10.1920 über den Verbleib bei Österreich spendet der Bund den Kärntner Gemeinden 45 Millionen Schilling. Jeweils 5 Millionen erhalten slowenische Gruppen, sowie Altösterreicher in Slowenien. Jörg Haider plant mit den Geldern in jeder Gemeinde eine an die Volksabstimmung errinnernde Gedenkstätte errichten zu lassen. Ein besonderes Projekt - der Abstimmungsgedenk-Radweg an der Drau zwischen Faaker See und Lavamünd - soll laut Haider ebenfalls mit der Spende finanziert werden. Größere Summen werden außerdem noch für den Neubau des Bezirksheimatmuseums in Völkermarkt herangezogen.
Verwertung vor der Vernichtung
Zwangsarbeit österreichischer Jüdinnen und Juden
Angesichts der Schoa verwindet die Zwangsarbeit von Jüdinnen und Juden oft als Randphänomen der industriellen Massenvernichtung der Jüdinnen und Juden. Nun hat Wolf Gruber im StudienVerlag ein Buch herausgebracht, das sich speziell mit eben dieser jüdischen Zwangsarbeit in Österreich beschäftigt.
Wenn Jörg Haider von "Arbeitslagern" spricht, meint das einfachste aller Parteimitglieder nicht jene Lager in denen der nationalsozialistische Staat tatsächlich Zwangsarbeiter angehalten hat um ihre Arbeitskraft auszubeuten, sondern benützt diesen Begriff zur Verharmlosung der nationalsozialistischen Vernichtungsindustrie gegen Jüdinnen und Juden.
Trotzdem hat es zwischen 1938 und 1945 in Österreich auch Arbeitslager für jüdische Zwangsarbeiter gegeben, die zwar nicht losgelöst von der industriellen Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung Mitteleuropas betrachtet werden kann, die aber angesichts des unfaßbaren Verbrechens der Schoa oft als Detail am Rande übersehen wurden.
Im nationalsozialistischen Staat wurden jedoch tausende österreichische Jüdinnen und Juden von öffentlichen und privaten Firmen, wie die Wienerberger Ziegelei AG, die STUAG oder die STEWEAG, als ZwangsarbeiterInnen ausgebeutet. Manch österreichische Firma, die auch nach 1945 noch satte Gewinne schrieb, konnte durch jüdische Zwangsarbeiter profitieren oder gar erst durch diese den Arbeitskräftemangel wettmachen, der durch den Abzug männlicher Arbeiter an die Front an der "Heimatfront" aufgetreten war. Aber auch einfache Bauern konnten jüdische Zwangsarbeiter, die in Lager interniert waren zu Erntearbeiten und anderen kaum bezahlten Tätigkeiten "ausborgen" um sie schließlich wieder der nationalsozialistischen Vernichtungsindustrie zurückzugeben.
Einige hundert jüdische ÖsterreicherInnen wurden 1941 auch in Arbeitslagern im "Altreich" eingesetzt. "Mehrere hundert Mädchen und Frauen brachte man im Mai nach Deutschland in Arbeitslager, zuerst zur Spargelernte in die Altmark, später zur Zwangsarbeit in Tabak- bzw. Papierfabriken in Nordhausen und Aschersleben." (S 294)
Wolf Gruner schildert in seinem Buch auch eine Reihe von Infrastrukturprojekten in Österreich, die mit jüdischen Zwangsarbeitern errichtet wurden und teilweise heute noch der österreichischen Volkswirtschaft zugute kommen, sei es daß Jüdinnen und Juden für den Bau der Staumauer Kaprun eingesetzt worden waren, sei es der Bau von Straßen, wie jenen der Dorfstraße in Moosbrunn.
Ausführlich schildert Gruner auch die verschiedenen Verschärfungen der Verfolgung und der Zwangsarbeit, die immer größere Personengruppen umfaßte und auch jene Lager immer mehr zu reinen Arbeitslagern umfuktionierte, die ursprünglich als Umschulungslager der Israelitischen Kultusgemeinde funktionierten und gedacht waren Jugendliche auf die Ansiedlung in Palästina vorzubereiten. Immer direkter wurde der Zugriff der NS-Behörden auf diese Lager der IKG ehe sie völlig unter der Kontrolle der SS und der "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" kamen und 1942 zusammen mit anderen Arbeitslagern ebenso aufgelöst wurden wie die Israelitische Kultusgemeinde selbst. Die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen wurden großteils im Zuge der "Endlösung der Judenfrage" in das Generalgouvernement deportiert und in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.
Trotzdem wurden bis 1945 noch in Wien jüdische ZwangsarbeiterInnen beschäftigt. Da der Großteil der jüdischen Bevölkerung Österreichs bereits deportiert und vernichtet war, wurden ab 1944 immer mehr Menschen in der Zwangsarbeit eingesetzt, die nach den Nürnberger Gesetzen in sogenannten "Mischehen" lebten oder von den Nazis als "Mischlinge" betrachtet wurden. "Ende 1944 waren schließlich über 90% aller Juden zwangsbeschäftigt. Arbeitsfähigkeit, Alter oder Krankheit spielten keine Rolle mehr. Was ihr in den ersten Jahren nach dem Pogrom nie gelungen war, hatte die österreichische Arbeitsverwaltung nun kurz vor dem Ende des Krieges erreicht, den totalen Zwangseinsatz aller österreichischen Juden." (S 295)
Wolf Gruner:
Zwangsarbeit und Verfolgung
Österreichische Juden im NS-Staat 1938-1945
ISBN 3-7065-1396-X
StudienVerlag
Innsbruck, Wien, München, 2000