26.04.2001

§248 / Abs 42

Widerstandswoche 65

# Laut "profil" hat sich das Innenministerium auf die Fersen jenes Internet-Aktivisten geheftet, der vergangene Woche den Zwischenbericht der Wirtschaftspolizei zum Spitzelskandal im Internet (www.geocities.com/spitzelaffaere) veröffentlicht hat. Der bislang unbekannte Täter hatte sich nach letztem Stand der Ermittlungen eines kalifornischen Internet-Knotens bedient. In Zusammenarbeit der österreichischen Behörden mit dem FBI soll der Aktivist ehebaldigst ausgeforscht werden.

# Jörg Haider (FPÖ) hat in erster Instanz das Zivilgerichtsverfahren, wegen übler Nachrede verloren, nachdem er den Verstorbenen Marcus Omofuma in einem Radiointerview als Drogendealer bezeichnet hatte. Das Wiener Handelsgericht stufte Haiders Behauptung, der bei seiner Abschiebung ums Leben gekommene Nigerianer sei ein Drogendealer gewesen, als ehrenrührig und unwahr ein. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Haider hatte laut Urteilsbegründung im September 1999 im ORF-Radio gesagt: "Ich hätte mir gewünscht, dass ein Regierungsmitglied mal die Frage gestellt hätte, was hat denn dieser Drogendealer, der da ums Leben gekommen ist, alles an unseren Kindern verbrochen, denen er die Drogen verabreicht hat?"

# Freigesprochen wurde bereits am 26. März jener Demonstrant, dem vorgeworfen worden war, bei der Donnerstags-Demo vom 21. September 2000 eines der ÖVP-Schilder bei der ÖVP-Zentrale abmontiert zu haben. Nach Betrachten eines von der Verteidigung bereits am ersten Verhandlungstag vorgelegten Videobandes und widersprüchlichen Aussagen von WEGA-Beamten wurde der Demonstrant freigesprochen.

# Auch heuer wurde ein besonderer Tag mit poetischen Erguessen in einer wohlbekannten Tageszeitung gehuldigt: "Fürwahr, ein großer Tag ist heut!/ Ich hab mich lang auf ihn gefreut,/ es feiern heute Groß und klein,/ zumindest daheim im Kämmerle in,/ doch manche auf der Straße auch,/ den unverzichtbar schönen Brauch/ bei dem, von Weisen inzeniert,/ Gesellschaft zur Gemeinschaft wird./ Ihm sei's zur Ehre, uns zum Heil:/ 'Taxi Orange', der II. Teil!"/ (Wolf Martin, Neue Kronenzeitung, 20.4.2001) Adolf Hitler waere am 20.April 112 Jahre alt geworden.

# Bei einem Postwurf in allen zweisprachigen Gemeinden Kärntens verspricht der Landeshaupt-mann Jörg Haider "alles in seiner Macht stehende" zu unternehmen, "um eine Ausweitung der Ortstafelregelung zu verhindern."

# Am Dornbirner Marktplatz wurden am Samstag (7.4.01) kurz nach 21 Uhr türkische Jugendliche von bewaffneten Skinheads angegriffen. Mit einer Gaspistole schoß ein Skinhead einem Jugendlichen ins Gesicht. In einem Kebab-Lokal, wohin die Türken flüchteten, verletzten die Skinheads mit Schlagstöcken drei Gäste und demolierten die Einrichtung. Weitere Auseinandersetzungen zwischen Türken und Skinheads wurden von der Polizei verhindert. Sieben Skinheads und ein Türke wurden auf freien Fuß angezeigt.

# In Koblach (Vorarlberg) griffen Anfang April (8.4.01) mehrere Skinheads die Gäste des Lokals "Rasthaus" an, das als Treffpunkt der Linken-Szene gilt. Rund zehn Skinheads schlugen um 3 Uhr Nachts mit Flaschen und anderen Gegenständen auf die Anwesenden ein. Vier Gäste wurden dabei verletzt und mußten mit Kopf- und Schnittwunden im Krankenhaus behandelt werden.

# Vier Jugendliche, die in einem Lokal in Illmitz (Burgenland) am Wochenende Hitler-Lieder gesungen haben und Parolen gerufen haben wurden nach dem Verbotsgesetz angezeigt. Ein Gast hatte die Gendarmerie arlamiert.

# Seit Montag steht in München der ehemalige SS-Scharführer und KZ-Aufseher Anton Malloth vor Gericht. Der in Innsbruck geborenen heute 89-jährige Malloth soll zwischen 1944 und 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt 3 Häftlinge ermordet haben. Zudem wird ihm ein versuchter Mord vorgeworfen. Der Zeuge Jan Munk, Vorsitzender der Gedenkstätte Theresienstadt, charakterisierte am Montag den ehemaligen Aufseher als "besonders schrecklich" und grausam. Am Montag wurde auch die Verhandlungsfähigkeit von Malloth festgestellt. Mancherorts wurde diese wegen dem naturgemäß eher schlechten Gesundheitszustand in Frage gestellt. "Doch Hände, die heute zittern" schreibt R. Escher in der SN am 24. April "waren damals stark genug, um zu schießen und zu foltern." Und ins Gefängniß wird er ohnehin nicht kommen.

Schleppnetzfahndung für das zentrale Melderegister

Alle zehn Jahre findet in Österreich eine Volkszählung statt. Im Auftrag des Bundes führen die Gemeinden die Erhebungen durch. In größeren Gemeinden verteilen ZählerInnen zwischen 2. und 14. Mai die Fragebögen. In der zweiten Maihälfte werden die ausgefüllten Bögen wieder abgesammelt. Die ZählerInnen haben dabei den Auftrag, zu kontrollieren, ob alle Bögen richtig ausgefüllt sind. Die VolkszählerInnen sind beauftragt, eigene Wahrnehmungen anzustellen, d.h. sie werden Leute, die zu Hause erreichbar sind, befragen, nach weiteren MitbewohnerInnen forschen und die Lage der Wohnung erkunden. Bei der Volkszählung 1991 erhielten Zähler-Innen in Wien eine Sonderprämie von ATS 70,- für jede aufgespürte Person, die nicht ordentlich gemeldet war. Die Teilnahme an der Volkszählung ist gesetzlich verpflichtend. Nicht- oder Falschantworten können mit Ver- waltungsstrafen von bis zu ATS 30.000,- und /oder sechs Wochen Arrest geahndet werden (wobei Frei-heitstrafen in so einem Fall extrem unwahrscheinlich sind).

Worum geht es bei der Volkszählung?

Angeblich geht es bei der Volkszäh-lung um die Planung von Schulen, Straßen und öffentlichen Verkehrsmit-teln. Es ist aber absurd zu glauben, dass dafür über eine halbe Milliarde Schilling ausgegeben werden. Die Detailergebnisse der Zählung werden darüberhinaus erst mit Ende 2002 ausgearbeitet sein. Zu spät für jede vernünftige Raumplanung. 1991 regte sich breiter Widerstand gegen die Zählung. VertreterInnen der kroatischen und der slowenischen Volksgruppe charakterisierten die Volkszählung als Minder-heitenfeststellung und lehnten sie ab. Antirassistische Gruppen verurteilten einzelne Fragen, die sich gegen ausländische Werktätige richteten.

In der Öffentlichkeit wird die Erhebung der Hauptwohnsitze als Hauptgrund für die Erhebung genannt. Die Ergebnisse der Volkszählung dienen als Basis für den Finanzausgleich zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden. Jeder Hauptwohnsitz bringt den Gemeinden zwischen 7.000 und 10,500,- an Bundessteuermitteln im Jahr (Wien bekommt als Land etwa 20.000,-). Viele Gemeinden haben bereits eigene Werbekampagnen gestartet, um BewohnerInnen zur De-klaration eines Hauptwohnsitzes zu bewegen. Einige Gemeinden bieten sogar Hauptwohnsitzgeschenke (Gratisparkpickerl u.ä.) an. [...]
Der Ablauf der Volkszählung

Ende April werden in größeren Gemeinden die BewohnerInnen mit Hausanschlägen über die Volkszäh-lungstermine informiert. Für Personen, die nicht anzutreffen sind, werden die Bögen bei anderen Hausparteien oder dem Hauswart hinterlegt. Die ZählerInnen müssen sich mit einem Zählausweis der Gemeinde und mit einem amtlichen Lichtbildausweis le-gitimieren. Es empfiehlt sich, die vorgezeigten Ausweise genauestens zu kontrollieren Die ZählerInnen haben nicht das Recht eine Wohnung zu betreten. Es ist weiters nicht notwendig, irgendwelche Fragen von Zähler-Innen zu beantworten. Nichtsdestotrotz erwarten sich die Behörden, dass die ZählerInnen in die Wohnungen gelassen werden um dort gemeinsam mit den BewohnerInnen die Bögen auszufüllen.
Mit Stichtag 15. Mai sollen die Bögen dann von allen BewohnerInnen Österreichs ausgefüllt werden. Jede Person hat das Recht, die Bögen alleine und unbeeinflusst zu Hause auszufüllen. Ein weiterer Hausanschlag informiert die BewohnerInnen von Wohnhäusern, an welchem Tag das Zählorgan kommt und die ausgefüllten Bögen einsammelt. Die ZählerInnen werden die ausgefüllten Bögen an Ort und Stelle überprüfen. Die ZählerInnen haben die Eintragungen des Melderegisters mit und vergleichen diese mit den Angaben auf der Zählungsliste. Falschmeldun-gen werden an Ort und Stelle korrigiert. Die Gemeinde Wien legt im Vorfeld Wert auf die Feststellung, dass dieser unbürokratische Vorgang eine Verwaltungsstrafe nach dem Melde-gesetz (bei Falschmeldung) nicht verhindern kann.

Die Bezirksämter in Wien haben die Möglichkeit bis zur Abgabe der Bögen an die Statistik Austria (Ende des Sommers) Nacherhebungen anzustellen. Bei der Volkszählung 1991 hatten die Behörden nicht nur mit vielen BoykotteurInnen zu tun. Viele tausend Personen waren einfach zum Zeitpunkt der Zählung am Wohnort nicht anzutreffen. Es ist anzunehmen, dass in solchen Fällen zumeist eine Ersatzausfül-lung anhand von vorhandenen Daten von den Bezirksämtern (oder den Gemeinden außerhalb Wiens) durchgeführt wird. In strittigen Fragen bezüglich des Hauptwohnsitzes (bei Personen, die mehrere Wohnsitze haben), ist jedoch mit einiger Hart-näckigkeit der Behörden zu rechnen. Einer allfälligen behördlichen Ladung (mittels eingeschriebenen Brief) wäre Folge zu leisten. Nach Paragraf 5.3 des Volkszählungsgesetzes sind die Gemeinden berechtigt, von vorgeladene Personen zu verlangen, die zur "Ausfüllung der Drucksorten erforderlichen Dokumente und sonstigen Nachweise vorzulegen". Bei einer Aus-kunftsverweigerung kann die Behörde eine Strafverfügung oder ein Straferkenntnis erlassen. Der weitere Instanzenzug gegen eine Verwaltungs-strafe kann bis zum Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof führen.

Die Statistik Österreich möchte die Bögen maschinell auswerten, jede Verunreinigung von Bögen würde den geregelten Ablauf der maschinellen Auswertung stören. Die Bögen müssten dann ersatzweise noch einmal ausgefüllt werden.

Der geplante Datenverbund

Nach Angaben der Behörden wird diese Volkszählung die letzte ihrer Art sein. Die Abgleichung der Volkszäh-lung mit dem Melderegister dient als Vorarbeit für den Aufbau eines elektronischen Zentralen Melderegisters. Dieses soll dann mit anderen öffentlichen Datenbanken (Sozialversicherung etc.) verknüpft werden. Die Bundes-regierung hat sich bereits festgelegt, Volkszählungen durch einen Daten-verbund zu ersetzen. Erste Entwürfe zur Verknüpfung der Meldedaten mit den Sozialversicherungsnummern haben zu Protesten von Daten-schützerInnen geführt. Diese befürchten, dass in Zukunft auch andere Daten (Gesundheitsdaten, Finanzamt etc.) verknüpft werden sollen.

text (gekürzt) aus TATblatt Nr. +163
www.tatblatt.net
der ganze text und mehr:
www.tatblatt.net/163volkszaehlung.htm