02.08.2001

§248 / Abs 50

Es gibt keinen "progressiven Nationalismus"!

Die Entstehung von Nationalstaaten ist historisch betrachtet ein relativ junges Phänomen. Erst der moderne Nationalstaat schuf sich durch ein Einschluss/Ausschluss-Prinzip seine "StaatsbürgerInnen". Rassismus und Antisemitismus sind dabei schon in der Gründungsphase von Nationen eingeschrieben. "Rassen" und "Völker" sind keine real existierende Phänomene, sondern soziale Konstruktionen zur Legitimation von Nationalstaaten. Egal ob sich ein Staat völkisch (durch Abstammung) oder republikanisch konstituiert, durch diese durch Mythen verstärkten Konstruktionen werden patriarchale und Klassen - Herrschaftsverhältnisse innerhalb von Nationen verschleiert. Dadurch ist der Nationalismus dem Kapitalismus dienlich.
Wenn sich Linke anbiedernd auf "Volksgemeinschaften" welcher Art auch immer berufen und bestimmte "Völker" zu den "Guten", unterdrückten und potentiell revolutionären erklären, ist das rassistisch und vor allem kontraproduktiv. (Und es klammert die Mitbeteiligung des "Volkes" an Rassismus, Antisemitismus und Sexismus aus.) Was wollen nationale Befreiungsbewegungen? Wer genau soll befreit werden und wovon? Sie streben in Wahrheit auch nur wieder bestenfalls einen weiteren bürgerlich-kapitalistischen Nationalstaat an. Nationalstaaten werden aber in diesen Fällen von der europäischen Metropolenlinken zum revolutionären Projekten erklärt und nicht als notwendiger Ausdruck kapitalistischer Verfasstheit erkannt. Bisher gibt es in der Praxis jedoch kein Beispiel, wo über den Weg von der nationalen Befreiung das revolutionäre Potential umgesetzt worden wäre und auch zur sozialen Befreiung übergegangen worden wäre.
Das Einschluss/Ausschluss-Prinzip jeglicher "Wir"-Konstruktion schafft Feindbilder, oft werden Juden/Jüdinnen zu den "Anderen", die dem "Wir" gegenübergestellt werden. Auch "Befreiungsbewegungen" tragen oft antisemitische Tendenzen in sich (von codierten Anspielungen auf das "internationale (steht für: jüdische) Finanzkapital" bis zu Öcalans expliziten Thesen zur "jüdischen Weltverschwörung"). Die besondere Affinität der deutschen und österreichischen "antiimperialistischen Linken" zu Palästina muss dabei jedenfalls hinterfragt werden. Wer sich in einem Land mit einer Vergangenheit wie Österreich als Lieblingsfeindbilder ausgerechnet Israel und die USA als Wurzel allen Übels aussucht muss zumindest gewisse Fragen gefallen lassen. Radikale Kritik an Herrschaft bleibt jedenfalls dabei auf der Strecke. Es ist schließlich bequemer, Schuldige zu suchen anstatt zu fragen: Warum ist es so?

Weder Nationalismus noch Patriotismus sind auch nur irgendwie emanzipatorisch! Ansätze, die davon ausgehen, dass der Rassismus nur vom Staat ausgehe und hinter dem Faschismus nur das Kapital stehe, rücken nur schwer von vorgefassten Feindbildern ab.

Und noch ein Wort zur sogenannten "Globalisierung" und ihrer Bekämpfung: Auch hier werden Nationalstaaten manchmal in ihrer Funktion missverstanden: Gerade die Nationalstaaten, die jetzt zum Schutz gegen die bösen internationalen Großkonzerne zur Hilfe gerufen werden, haben diesen Konzernen die Grundlagen für die schrankenlose Ausbeutung zurechtgezimmert. Ein Recht auf Ausbeutung ausschließlich durch die eigene Nation ist keine Forderung, die uns als Gegenkonzept sinnvoll erscheint.

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Gegen Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Kapitalismus!
Gegen alle Nationalstaaten!
NoBorder! NoNation!

(Arbeitsgruppe für antinationale Angelegenheiten)

Im übrigen halten wir aus den oben genannten Gründen Fahnen und sonstige Symbole von Nationalstaaten und nationalistischen Bewegungen für reaktionär und in einer linken Bewegung für völlig unangebracht.