Editorial
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
In Wien kennen manche von Euch vielleicht die Flugschrift, die wöchentlich unter dem sinnigen Titel "§248" erscheint. Der §248 des österreichischen Strafgesetzbuches stellt die Beleidigung und Herabwürdigung des Staates selbst unter Strafe. In einer launigen Minute hat das einfachste aller Pateimitglieder, der Kärntner Landeshauptmann Dr. Haider, im Frühjahr Sanktionen gegen KritikerInnen der blau-schwarzen Regierung bis hin zum Bundespräsidenten verlangt, die gegen die Interessen des Staates verstoßen und Justizminister Böhmdorfer in einem ersten Reflex diese Idee für "verfolgenswert" gehalten. Tatsächlich: Verfolgenswert.
Sondergesetze? Heimtückeverordnung? Totalitäres Denken?
Dr. Haider glaubt, ohne das alles auskommen zu können. Er hat ja eine "noch unter dem sozialistischen Justizminister Broda" erlassene Strafbestimmung, um mit seinen Gegnern fertigzuwerden. Eben: §248. Und weil uns diese Haltung so unerträglich ist; wir die Freiheit zu denken, die Freiheit eine Meinung zu haben und diese auch auszusprechen zu können, für einen extrem wichtigen Wert halten, deshalb haben wir diese Zeitung gemacht.
Um gegen eine Tendenz in der Gesellschaft anzugehen, die vor allem in eine Richtung geht: Daß die Menschen schweigen und gehorchen sollen.
Wir wollen, daß Raum ist: Zu reden, zu diskutieren, zu kritisieren.
Nützt ihn! Diese Zeitung ist nicht das Projekt einer Gruppe - eine Vielzahl von linken Organisationen in ganz Österreich tragen sie - sie soll aber auch nicht deren Zeitung sein: Von uns geschrieben und von Euch gelesen.
Wir wollen eine offene Zeitung: Das heißt jeder Text, jeder Artikel wird abgedruckt. Auch und gerade, wenn er uns aus irgendeinem Grund nicht sehr paßt. Die einzige Einschränkung, die wir machen: Nichts rassistisches, sexistisches, antisemitisches, rechtsextremes. Alles andere kommt hinein.
Wir wollen eine möglichst breite, kontroversielle Diskussion: Die Vorbedingung dafür ist die Abwesenheit von Zensur.
Schickt Eure Texte an eine der nebenstehenden Kontaktadressen. Wir haben diese Ausgabe an eine Reihe von Leuten verschickt, von denen wir denken, daß sie vielleicht ihr Interesse findet. Wer sie wieder bekommen möchte - und auch wer sie irgendwo in Österreich zufällig in die Hand bekommen hat und sich den weiteren Bezug sichern möchte - kann sich an eine der Kontaktadressen wenden. Kosten soll es an sich nichts, über Spenden freuen wir uns trotzdem (und brauchen sie auch bitter nötig - Freiheit kostet Geld auf dieser Welt): Konto-Nr. 620 206 102, Bank Austria, BLZ 20.151, lt. auf Revolutionsbräuhof, Verwendungszweck "Bundesweite Zeitung".
Nachsatz: Sämtliche Artikel geben jeweils die Meinung ihrer VerfasserInnen und nicht die des Redaktionskollektivs wieder.
{das redaktionskollektiv}