"Seit ich in Kärnten regiere, traut sich dort kein Linker mehr demonstrieren ..."
... polterte Jörg Haider kürzlich beim Wahlkampfauftakt der Wiener FPÖ in die Wiener Stadthalle. Wollte er damit sagen, daß sich in Kärnten unter seinem Regime schon so manches verändert hat? Es sieht tatsächlich ganz so aus. Anhand von einigen Beispielen wollen wir zeigen, daß Kärnten wohl ein Modellversuch für die 3. Republik sein könnte, und daß auch das übrige blau/schwarze Österreich auf dem besten Weg dorthin steuert.
Die 3. Republik
In seinem Buch "Die Freiheit, die ich meine" skizziert Haider grob, wie er sich eine solche Republik vorstellt. Da wäre einmal eine unglaubliche Machtkonzentration durch die Zusammenlegung der Ämter Bundeskanzler und Bundespräsident, die Minimierung der Rechte des Parlamentes sowie einer Verringerung der Abgeordneten auf 100. Das bedeutet einfachere Mehrheiten sowie schwierigere Einzugshürden für Kleinparteien. Die Idee von der Zusammenlegung von Innen- und Verteidigungsministerium wurde bisher höchstens in irgendwelchen Militärjuntas umgesetzt. Und ganz wesentlich ist auch eine Politik mittels Volksbefragungen.
Das klingt zwar superdemokratisch, letztlich entscheidet aber doch der Machthaber, wann welche Fragen wie gestellt werden, und die Leute glauben dann, sie hätten so wahnsinnig viel mitzureden.
So weit ganz grob zum Buch. Die Realität sieht dann oft ganz anders aus, weil manches einfach nicht geht (zumindest nicht in absehbarer Zeit). Das braucht den Haider aber nicht zu kümmern, weil die bloße Skizzierung von Ideen ist halt ein Wunschdenken. Aber es geht eh anders auch. Der Jörg hat mit der Zeit schon gelernt, wie er über die Leute herrschen kann. Die lassen sich, siehe dann weiter unten am Beispiel Kärnten, ja viel leichter regieren. Die paar Oppositionellen lassen sich dann auf die verschiedensten Arten und Weisen mundtot machen. Da braucht man die Demokratie nicht abzuschaffen, wenn sie sich selbst ausschaltet.
Vorsicht: es kann so oder so kommen. Wohin die Reise geht, entscheidet Haider oft ganz spontan nach Gutdünken.
Was ist an Kärnten besonders?
Haider regiert Kärnten unumschränkt. Kaum jemand stellt sich dort gegen ihn, vielmehr versuchen alle mitzumachen, und zwar weil es selbstverständlich scheint. Als Jörg Haider im Vorfeld des 20. Oktobers (Jahrestag der Volksabstimmung über den Verbleib Kärntens bei Österreich vor 80 Jahren), verlangte, diesen zum dienstfreien Landesfeiertag zu erklären, und die Wirtschaftskammer das prompt zurückwies, drohte er, daß dann jenen eben die Subventionen gestrichen werden. Die Arbeiterkammer Kärnten sprang trotz politischer Gegnerschaft zur FPÖ Jörg Haider zur Seite, und versprach, den Lohn für einen halben Arbeitstag zu übernehmen, wenn sich ihre Schützlinge an den Festumzügen beteiligen. Haider drohte daneben noch der Wirtschaft, Klagenfurt vom Bundesheer abriegeln zu lassen, falls die Geschäfte am 20. Oktober geöffnet haben sollten.
Irgendwie haben sich dann doch alle Seiten geeinigt, der Jörgl hat bekommen, was er wollte. Und niemand hat sich daran gestört, wie er das zustande gebracht hat. Der traut sich halt was, der Jörg. Und quer durch alle Parteien und Interessensgruppen wurde dieser Tag in nationaler Eintracht zelebriert. Nur die slowenischen Gruppen haben, wen wundert das, bis auf eine einzige nicht teilgenommen. Einen derartigen dumpf-chauvinistischen Umzug (auf einem mitgeführten Denkmal stand: "Bis hierher und nicht weiter kamen die serbischen Reiter, ein alter SS-Veteran führte dann auch noch ungestört den Leitspruch: "Meine Ehre heißt Treue" mit) wollten sich die slowenischen Leute wohl nicht anschließen. Letztlich war es auch eine Huldigung für den unumschränkten Herrscher Kärntens, Jörg Haider. Der ließ es sich auch nicht nehmen, auf dem noch warmgesessenen Präsidentenstuhl Platz zu nehmen, und sich sozusagen selbst zu krönen, mit Billigung aller.
Stellt sich die Frage, ob das so besonders ist in Kärnten. Viele Leute aus Kärnten erzählen, daß die dumpf-reaktionäre Abwehrkämpfermythologie sich quer durch alle Parteien zieht. Ebenso autoritäres Gehabe und mangelnde Distanz zum Nationalsozialismus, der in Kärnten noch vor dem Anschluß so stark war wie nirgendwo in Österreich. Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Wagner (SPÖ) brüstete sich öffentlich seiner Mitgliedschaft in der Hitlerjugend, wohl wissend, daß dies in weiten Teilen der Kärntner Bevölkerung gut ankommt. Und die "heimattreuen Verbände" wie Kärntner Heimatdienst, die sich oft genug im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus finden, haben dort eine breite gesellschaftliche Akzeptanz.
Das ist der Boden, auf dem Jörg Haider groß wurde. Und daß einer kommen konnte, der es noch ärger treiben kann als seine Vorgänger, liegt an eben jenen Kärntner Befindlichkeiten. Soll aber nicht heißen, daß es im übrigen Österreich nicht auch so kommen könnte.
Blauer Filz
Schon in seiner ersten, durch sein Lob für die "Beschäftigungspolitik" des 3. Reiches beendeten Amtszeit als Kärntner Landeshauptmann, hatte Haider die Gelegenheit, den bisher roten Filz durch einen blauen zu ersetzen. Jetzt, ein Jahr nach seinem neuerlichen Amtsantritt, scheint dieses Projekt schon abgeschlossen. Freunde und ParteigängerInnen Haiders wurden in den Schaltstellen der macht installiert. So z. B. der Chef der Raiffeisen Landesbank, Klaus Pekarek. Dieser, ein Freund Haiders, wurde als Vorstand des Kärntner Energiebetreibers KELAG eingesetzt. Ein anderes prominentes Beispiel: Haider holte den Chefideologen der FPÖ (und dort steht er rechts außen) als privaten Kulturberater nach Kärnten - mehr davon weiter unten. Aber auch auf vielen Posten der Landesverwaltung sitzen nun Günstlinge eben jenes Politikers, der auszog, um Parteienfilz und Freunderlwirtschaft zu beenden.
Nun ist es in Österreich nicht ungewöhnlich, daß Parteien ihre Leute in Schlüsselpositionen heben, wenn sie an die Macht gekommen sind. Doch lassen sich Machtstrukturen von Vorgängern üblicherweise nur sehr schwer beseitigen. Haider ist das in kürzester Zeit gelungen. Und es wird lange dauern, diesen, alle Bereiche der Gesellschaft durchdringenden Filz wieder loszuwerden. Das ist Machtpolitik im eigentlichen Sinne.
Die Vorstellung kerniger Kärntner Kulturpolitik
"Die direkte Kunstförderung muß sich auf Werke beschränken, die unserem abendländischen Kulturkreis angehören und gemeinhin als künstlerisch anerkannt sind ... Auch die Forderung von Werken, die Fremdartige Ausdrucksmittel benützen oder die unserer abendländischen Tradition zuwiderlaufen, ist abzulehnen" ("Lorenzener Kreis"). Was hier von einer Freiheitlichen Ideologieschmiede als Kunst dargestellt wird, ist leicht auszumalen: Strauß, Sisi, Mozartkugeln und Musikantenstadl. Was nicht dazugehört, ist alles andere.
Und in Kärnten wird vorexerziert, wie mit zwei "ultralinken bezahlten Fäkalstaatskünstern" umgegangen wird: kein Geld mehr. Darüber wacht der von Haider engagierte Beschützer des Abendlandes, Andreas Mölzer. Für ihn und Haider hört die Freiheit der Kunst dort an, wo sie anfängt, kritisch zu werden, oder nicht massenkompatibel ist. Und so kommt es, daß in Kärnten nur noch Geld fließt, wenn man größere Musicalveranstaltungen durchführt, wo ein Haider massenwirksam dabei auftreten kann - genau wie bei einem Schirennen. Und dann geht es schon auch noch darum, ob es dem Landesfürsten gefällt oder nicht.
Alle anderen, KünstlerInnen, die sich kritisch äußern, wird das Geld gestrichen. So geschehen beim Kulturverein UNIKUM in Klagenfurt, oder einem Theater, das ein Stück von der verhassten Elfriede Jellinek aufführen wollten.
Kärnten ist heute eine Kulturwüste - was der Bauer net kennt, frißt er net.
Der Kärntner Schulterschluß
Die schon oben beschriebenen Ereignisse rund um den 20. Oktober zeigt, wie sehr sich alle, üblicherweise entgegengesetzten politischen Strömungen plötzlich einig sind, wenn es um die Rolle der besseren PatriotInnen geht. Da werden sämtliche Interessenskonflikte zurückgestellt, die politische Auseinandersetzung läuft letztlich darauf hinaus, wer wann welches Denkmal enthüllen darf.
Es ist dann völlig egal, wenn daneben die letzte Opposition ausgeschaltet, Grundfreiheiten eingeschränkt, Flüchtlinge kurzerhand vor die Tür gesetzt werden und soziale einschnitte vorgenommen werden. Die Opfer fühlen sich dann eben als KärntnerInnen, und das ist ja immerhin auch was. Wehren kann und will sich dann augenscheinlich niemand mehr.
Die Selbstverständlichkeit willkürlicher Machtausübung
Wie schon oben beschrieben, hat Haider um den 20. Oktober Vorstellungen an den Tag gelegt, die selbst im erzreaktionären Bayern kein Politiker ohne Aufschrei von sich geben würde. Auch wenn Haider Flüchtlinge aus dem Kosovo kurzerhand nach Niederösterreich deportieren läßt, weil er das so will, regt sich kaum eine Stimme dagegen.
Für ihn ist so eine Art von Politik selbstverständlich, und für die Bevölkerung offensichtlich auch. Scheinbar kann er tun und sagen was er will. Er hat sowieso fast alle hinter sich. Und für diejenigen, denen das alles nicht behagt, gibt es nur zwei Alternativen: Schweigen oder Weggehen. Aber keine offene Opposition.
Blau-Schwarz auf dem Weg dorthin
Schon die Art und weise, wie von dieser Koalition jeder Widerspruch beinahe kriminalisiert oder gar als "Vaterlandsverrat" hingestellt wird, wie beim ORF interveniert wird, wie kritische JournalistInnen, PolitikerInnen oder außerparlamentarische Oppositionelle mit Klagen zugedeckt werden, zeigt, daß sich auch Österreich auf das Kärntner Modell zubewegt.
Der vielzitierte "Nationale Schulterschluß", den die Regierung aufgrund der Maßnahmen der EU-14 von allen verlangt hat, ist aufgegangen. Und wenn es nicht anders ging, mußten die verirrten Schäfchen mit sanften Druck auf den rechten weg zurückgebracht werden. Als der ORF von Sanktionen gegen die Bundesregierung sprach, rief ein empörter Andreas Khol dort an, um richtigzustellen, daß es sich um Sanktionen gegen Österreich handle. Und um nichts ins Hintertreffen zu gelangen, überschlugen sich die Spitzen von Grünen und SPÖ förmlich darin zu beweisen, daß sie doch die waren PatriotInnen seien, anstatt Oppositionspolitik zu machen.
Und kaum waren Maßnahmen gefallen, fand man sich schon eine neue "nationale Gefahr": die Atomkraft im Ausland. Nicht in Bayern oder in der Schweiz, sondern in Tschechien. Wegen des AKW Temelin blockieren nun schon seit Wochen DemonstrantInnen die Grenze zu Tschechien. Und niemand stört sich daran, wenn FPÖ und ÖVP dabei an vorderster Front dabeistehen. Die Opposition konnte dem um nichts nachstehen und fiel ebenfalls in den Tenor der Proteste ein. Der Oberösterreichische Landesschulrat gab den Schulkindern frei, um auch zu demonstrieren, das sei schließlich "politische Bildung". Diesmal hat er wirklich geklappt, der "Nationale Schulterschluß". Daß es dabei weniger um die Gefahren der Atomenergie geht, sondern um es den "äußeren Feind" so richtig zu zeigen, fällt dann freilich nicht mehr ins Gewicht.
Solange sich solche "Feinde" konstruieren lassen, läßt sich ein beispielloses Sparpaket durchziehen, und eine Spitzelaffäre überstehen, weil eh niemand kümmert. Solange den Leuten ein dumpf-heimeliges Nationalgefühl wichtiger ist, als sich endlich gegen die blau-schwarze Machtwillkür zu wehren, scheint Hopfen und Malz verloren. FPÖ/ÖVP herrschen unumschränkt, und Österreich is lei ans.
Ein grauenvolles Szenario
Nehmen wir an, Haider übersteht die Spitzelaffäre (und wie viele Skandale zuvor) unbeschadet und wird irgendwann vielleicht doch noch Kanzler. Kein Mensch weiß, wie sich das entwickeln könnte. Aber gehen wir doch vom derzeitigen Stand der Dinge aus. Das Klima ist in Österreich seit dem Amtsantritt von Blau-Schwarz autoritärer und chauvinistischer geworden, Grundrechte wurden eingeschränkt, die Opposition finanziell ausgehungert. Ein gutes Stück des Weges zu einer autoritären 3. Republik ist zurückgelegt. Und viele scheint das nicht zu kratzen - und genau deswegen ist es nicht unwahrscheinlich, daß Haider am Ballhausplatz einziehen könnte. Wer glaubt, daß Schüssel Haider "gezähmt" habe, muß mit Blindheit geschlagen sein. Wer genau hinsieht, wird eher das Gegenteil bemerken. Haider ist ja nicht dumm: "Die Dritte Republik wird sich evolutionär aus der Zweiten Republik entwickelt, da man einfach sehen muß, daß die jetzigen Zustände im Lande gerade aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr verantwortbar sind. Die Oligarchie der etablierten Parteien hat längst abgewirtschaftet, und durch Einheitspartei, Einheitskammern, Einheitsmedien gibt es die Gefahr eines neuen Absolutismus in Österreich. So wie unsere politischen Vorfahren vor 150 Jahren gegen den Absolutismus Metternichs zu Felde gezogen sind, so müssen auch wir heute der roten Machtkonzentration die Stirn biete." (Haider in der "Jungen Freiheit", 20. Oktober 1995)
Dieser revolutionäre Weg ist beschritten. Was Haider verschweigt, ist, daß er die Machtkonzentration bloß umfärben will. Sollte er Kanzler werden, könnten sich die Kärntner Zustände auf Österreich ausbreiten. Mit einer nahezu gleichgeschalteten, gegen das Leid anderer völlig gleichgültigen Bevölkerung läßt sich so ziemlich alles veranstalten. Was genau, sollten wir gar nicht erst rausfinden, wenn es dann soweit ist.
Noch läßt es sich verhindern. Und das erfordert entschlossenen Widerstand und vor allem eines: Solidarität und Verständnis für alle, die jetzt schon unter die Räder kommen. Riess-Passer sagt es ja: "Wir laßen uns nicht bremsen!" Soll wohl heißen: "Wir geben Gas."