Alles beim alten
Trotz neuem Namen bleibt der Akademikerball ein rechtsextremes Großevent
Am 1. Februar 2013 findet in den Prunkräumen der Wiener Hofburg ein Großevent der völkisch-deutschnationalen Burschenschaften statt. Was in den Jahrzehnten zuvor jeden letzten Freitag im Jänner unter dem Namen Ball des Wiener Korporationsringes (WKR-Ball) stattfand, wird heuer unter dem Namen Wiener Akademikerball und eine Woche später fortgeführt.
Formerly known as...
Der WKR-Ball sorgte seit Jahren für antifaschistische Proteste, seit 2008 jährlich. Denn auch wenn manche anderes behaupten, waren die WKR-Bälle keine harmlosen Veranstaltungen sondern hochpolitische Events: Jahrzentelang war der WKR-Ball ein Abend, an dem sich "National-Freiheitliche", Deutschnationale und offen Rechtsextreme selbst feiern und Kontakte mit Vertreter_innen der europäischen Rechten pflegen konnten. So waren zum Beispiel Marine Le Pen (Front National, Frankreich), Frank Vanhecke (Vlaams Belang, Belgien), Enrique Ravello (Faschist und Leiter der rechtsextremen Zeitschrift "Revista IdentidaD", Spanien) und verschiedene Delegationen der Deutschen Volksunion, pro NRW, pro Köln (alle Deutschland), der Schweizer Volkspartei sowie der Schwedendemokraten (Schweden) Besucher_innen des WKR-Balls.
Neben Vertreter_innen der europäischen extremen Rechten zeigte sich besonders die rechtsextreme Elite Österreichs in der Hofburg: Ob FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der dritte Nationalratspräsident Martin Graf, Nationalratsabgeordnete und Kämpferin gegen den "Gender-Wahn" Barbara Rosenkranz, Gaskammer-Leugner und ehemaliger Bundesrat John Gudenus, sie alle waren regelmäßige Gäste beim WKR-Ball. Und natürlich unzählige "Alte Herrn" und "Burschen" der deutschnationalen Korporationen - die dank ihrer Seilschaften oft an wirtschaftlich einflussreichen Positionen sitzen.
Der Recherche und den Protesten autonomer Antifaschist_innen ist es zu verdanken, dass das rechtsextreme Feiern und Netzwerken im Stillen unmöglich wurde und immer mehr Details über die antisemitischen, homophoben, sexistischen, transphoben und rassistischen Positionen der Burschenschaften an die Öffentlichkeit drangen. Als 2012 der Termin des WKR-Balles mit dem Datum der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zusammenfiel, formierten sich erstmals auch breite zivilgesellschaftliche Proteste. Der rechtsextreme Ruf des WKR-Balls führte auch dazu, dass 2012 dem "Wiener Ball" das UNESCO-Weltkulturerbe aberkannt wurde. All dies hatte zur Folge, dass sich die Betreiber_innengesellschaft der Hofburg Anfang 2012 dazu durchrang, in Zukunft den WKR-Ball in der Hofburg nicht mehr zu dulden.
... doch geändert hat sich nix!
Bereits im März 2012 wurde aber klar, dass sich mit dieser Absage nicht viel ändern würde: Die FPÖ Wien (statt zuvor der WKR-Ballausschuss) meldete den "Wiener Akademikerball" in der Hofburg an (dort war er auch kurzzeitig als "WKR-Ball" im Terminkalender eingetragen). Und damit war wieder alles gut für die Hofburg, denn Parlamentsparteien könne man nicht absagen.
Auch auf einschlägigen Webseiten wurde offen bekannt, dass der "Wiener Akademikerball" den WKR-Ball ersetzen würde. Endgültige Klarheit wollten Udo Guggenbichler und Herwig Götschober vom WKR-Ballausschuss in einer Einladung zum Akademikerball schaffen: Der Wiener Akademikerball gibt "Korporierten die Möglichkeit, auch 2013 wieder in den prunkvollen Sälen der Wiener Hofburg zu feiern und zu tanzen." Weiter schreiben sie, der Wiener Akademikerball sei ein Ball "von Korporierten für Korporierte".
Trotz dieser unerfreulichen Konsequenz verdeutlicht diese Neuauflage zwei Dinge: Erstens die enge Verstrickung der studentischen Verbindungen mit der FPÖ. Ein großer Teil der FPÖ-Funktionäre sind "Alte Herren" und unter den parlamentarischen Mitarbeiter_innen tummeln sich regelmäßig junge "Burschen", wie etwa Sebastian P. (er beteiligte sich an einem Angriff auf eine antifaschistische Demonstration), Jan Ackermeier (aktiv im Umfeld der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, die u.a. den rechtsextremen "Dresdner Trauermarsch" organisiert) und André T. (obwohl er aus der steirischen FPÖ flog, weil er Leute des neonazistischen Netzwerks Blood and Honour für den Ring freiheitlicher Jugendliche angeworben hätte).
Zweitens wird auch der Elitegedanke der Burschenschaften offensichtlich: Burschenschaften akzeptieren nur Männer aus dem studentischen oder akademischen Milieu. Diese elitäre Abgrenzung wurde auch deutlich, als Götschober burschenschaftliche Befürchtungen zerstreuen wollte, der Akademikerball würde eine Veranstaltung werden, "wo der Gemeindebauprolet auftanzen" werde. Oft verschaffen sich Burschenschafter mit Hilfe ihrer Männerbündelei einflussreiche Posten in Justiz, Politik und Wirtschaft – und setzen somit ihren Elitegedanken auch in die Tat um.
Darüber hinaus streben Burschenschafter aber auch - vertreten durch den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) - nach einer elitären Universität: Der RFS-Slogan für die Wahl der österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) 2007 verdeutlicht dies: Mit "Wir misten aus" wurde gegen die Öffnung der Universitäten für einkommensschwache und bildungsferne Schichten sowie Frauen* agitiert, wie sie seit den 1970er-Jahren passierte. Mit dieser Öffnung ging auch ein rasanter Abstieg des RFS einher: Konnte der RFS in den 60er-Jahren noch über 30% der Stimmen bei ÖH-Wahlen gewinnen, so sind die Wahlerfolge seit den Siebzigern bescheiden: Sie liegen durchwegs unter 5 Prozent. Mit der Uni-Reform 2002 versuchten Burschenschafter unter Schwarz-Blau diesen Trend umzukehren, was in einer Entdemokratisierung der Universitäten resultierte: Die meisten Kompetenzen des Senats wurden von den neu eingeführten Universitätsrät_innen übernommen. Diese wiederum werden von der Regierung bestellt und so gelangten wieder Burschenschafter in diese einflussreichen Positionen. Glücklicherweise haben auch diese Änderungen dem RFS bisher nicht wirklich geholfen: Sie stagnieren bis heute bei einem Mandat in der ÖH-Bundesvertretung.
Zuspitzungen
Die rechtsextremen Positionen und Ansichten der Burschenschaften stellen in ihrer Deutlichkeit Zuspitzungen von reaktionärem und konservativem Gedankengut dar, das jenseits der Korporationen auch in großen Teilen der Bevölkerung mehr oder weniger abgeschwächt vorhanden ist: Während die meisten Burschenschaften Juden explizit ausschließen, schäumt die breite österreichische Mehrheit, wenn sich Israel gegen Raketenangriffe der antisemitischen Hamas verteidigt und lässt ihrem Antisemitismus freien Lauf. Erfreut hauen gelernte Österreicher_innen in die Tasten, um das nächste antisemitische Posting abzuschicken, wenn Robert Menasse dafür eintritt, dass Jüd_innen "den ständigen Opfer-Habitus" ablegen sollten und damit Antisemitismus als Problem der Jüd_innen verkennt, anstatt es als eines der Antisemit_innen zu betrachten.
Auch Frauen* werden aus Burschenschaften explizit ausgeschlossen, bei Veranstaltungen werden sie primär zum Verpflegen geduldet oder als "Aufputz", als "Begleitung von..." gesehen. Auch wenn die Ausschlüsse oft nicht so deutlich sind, ist der Männerbund als Organisationsform nicht Burschenschaften vorbehalten - frauenfreie und frauenfeindliche Strukturen finden sich in fast allen Gesellschaftsspektren – vom Stammtisch bis zu den Vorstands-Etagen. Durch sie entstehen Seilschaften, die Männern* zu gesellschaftlich relevanten Positionen verhelfen, während Frauen* von diesen strukturell ausgeschlossen werden. Auch das von Burschenschaften vertretene Rollenbild der Frau mit Kind und am Herd wird von vielen geteilt.
Einerseits wird der Rassismus der Korporierten deutlich anhand einer innerburschenschaftlichen Debatte. In der burschenschaftlichen Organisation “Deutsche Burschenschaft” setzte sich im Herbst 2012 jene Fraktion durch, die Burschenschafter nicht dulden, deren Aussehen “auf eine nicht deutsche Abstammung” hindeuten würde. Andererseit darf diese Deutlichkeit aber nicht davon ablenken, wie weit Rassismen in unserer Gesellschaft verbreitet sind: Von Sarrazin, der mit einem rassistischen Buch einen Verkaufsschlager landete, über antimuslimischen Rassismus, der das "christliche Abendland" vom Untergang bedroht sieht, bis hin zu den zahlreichen rassistischen Gesetzesverschärfungen die auch von der SPÖ beschlossen werden, den antiziganistischen Bettelverboten oder der rassistischen "Hausordnung" des Rot-Grünen Wiens: Das alles ist Ausdruck eines rassistischen Mainstreams - und die rechtsextremen Burschenschaften nur dessen Zuspitzung.
Männerbünde angreifen!
Rassistischen Konsens brechen!
Den Akademikerball unmöglich machen!
Für eine befreite Gesellschaft und Anarchie!