02/2004

Armut ist kein Schicksal!

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Aktion gegen Armut und Obdachlosigkeit

Wann: 19.2.2004, ab 14 Uhr
Wo: Vor dem Generali - Center, Mariahilferstrasse (Wien) / Nähe Neubaugasse

Eine Initiative von:

Grünalternative Jugend Wien (GAJ)
grundrisse.zeitschrift für linke theorie & debatte
Rosa Antifa Wien (RAW)
TATblatt

Kontakt:
Web: http://www.obdachlos.at
Email: obdachlos@obdachlos.at
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Während am Opernball wieder die "Schönen und Reichen" das, was sie haben, zur Schau stellen, frieren gleichzeitig allein in Wien mehrere Tausend Menschen, sei es , weil sie sich keine taugliche Heizung leisten können, oder nicht einmal ein Dach über den Kopf haben. Nun ist der Opernball nur einer von vielen Bällen, bei denen einzelne in wenigen Stunden mehr Geld ausgeben als anderen monatlich zur Verfügung steht. Und doch ist es ein mediales Grossereignis, in dem gezeigt wird: "Wir habens und Ihr nicht!" Und gerade deshalb ist es so zynisch. Dies soll kein Appell an den Neid sein, sondern vielmehr die Frage stellen, warum wenige soviel haben, und so viele so wenig. Und es scheint sie niemand zu stören. Da gaffen Hunderttausende in den Fernseher, um das Gefühl zu haben, dabei zu sein. Und keine/r empfindet Abscheu dabei, dass solche gesellschaftlichen Ungleichheiten so offen hergezeigt werden. Nein, Abscheu zeigt der Durchschnittsmensch nur vor denen, die nichts besitzen. Und davon soll folgender Text handeln.

Eben jene Abscheu vor den Obdachlosen hat der Durchschnittsmensch, wenn sich das Elend öffentlich zeigt. Menschen, die um ein paar Cent bitten, werden nicht nur ignoriert oder beschimpft, sondern manchmal sogar tätlich angegriffen. Oft wird ja behauptet, das Geld würde doch nur für Alkohol und andere Drogen ausgegeben, aber selbst wenn es stimmen sollte, wer kann das wissen? Weil es keine/r wissen will. Und daher ist es doch am einfachsten, die Armut wird unsichtbar gemacht. Die ÖBB z.B. trägt den Wunsch nach der Ellbogengesellschaft auch Rechnung. Auf den grossen Bahnhöfen werden eigene Securitys auf Streife geschickt, um die eindeutig nicht Reisenden rauszuwerfen. Egal wie kalt es gerade ist. Wenn wir die Armen nicht sehen wollen, nehmen wir auch mal einen Kältetod in Kauf. Manchmal sogar eigene Unannehmlichkeiten. Dass in U-Bahnstationen und Bahnhöfen Sitzbänke entfernt werden, damit nur ja keineR drauf schlafen kann, kostet uns scheinbar gerne ein paar Minuten Bequemlichkeit. Oder dass die öffentlichen Toiletten in der Station U1 Keplerplatz nur mit einem bei der Stationsaufsicht erhältlichen Schlüssel betretbar sind, hat oft auch nur ein leises Schimpfen gekostet. Es könnten sich ja Obdachlose oder gar Homosexuelle dort niederlassen und die Fleissigen und Anständigen bei der Verrichtung ihrer Notdurft "bedroht" werden. Eigentlich gehört der Stationsaufsicht die Meinung dazu vor die Tür geschissen! Aber so werden Obdachlose, der letzten Ruhe und Aufwärmmöglichkeit beraubt, durch die Stadt getrieben und so Kälte, sozialer Isolation und Alltagsbedrohungen ausgesetzt. Dass sich SandlerInnen in Gruppen an öffentlichen Orten aufhalten dient eben dem sozialen Zusammenhalt. Sonst spricht ja niemand mit Ihnen. Und die Verdrängung von öffentlichen Plätzen birgt eben die Gefahr, auch einmal unerkannt körperlich attackiert zu werden. Aber unserer Hochleistungsgesellschaft ist es egal, weil:

Selber schuld?

Oft wird ja behauptet, wer in die Armut abrutscht, ist selber schuld. Dass dies ein Humbug ist, beweist ein Blick auf die sogenannte 3. Welt. Sind die Menschen, die dort verhungern auch selber schuld? Eben. In unserer Leistungsgesellschaft bleiben immer mehr auf der Strecke. Eine Scheidung oder der Verlust des Arbeitsplatzes führt häufig dazu, dass man/frau sich das Wohnen nicht mehr leisten kann. Endstation Strasse! Und das kann vielen passieren. Ca. 5.000 Obdachlose gibt es nach offiziellen Schätzungen in Wien. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Und dies ist ein Teufelskreis, aus dem es kaum mehr ein Entrinnen gibt. Keine Wohnung, kein Job! Denn ohne halbwegs geordnetem Leben kann man/frau einer regelmäßigen Arbeit nicht nachgehen, sollte man/frau überhaupt als Obdachlose/r eine Anstellung finden.

Und Alkoholismus? Je auswegloser die Situation, desto höher die Gefahr, sich in eine Droge zu flüchten. Abgesehen davon gibt es auch genug AlkoholikerInnen mit Dach über dem Kopf. Es wurde auch in Studien bereits festgestellt, dass jahrelange Obdachlosigkeit zu innerer Unfähigkeit führen kann, die einfachsten Dinge wie Einkaufen oder Amtswege zu bewältigen. Indem Menschen zu verstehen gegeben wird, sie seien ohnehin das Letzte, entsteht auch eine gewisse Scham davor, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Auch die Politik ist schuld

Auch im "Roten Wien" muss man/frau oft Monate auf eine Notfallwohnung warten, obwohl genug Gemeindewohnungen frei sind (oder frei wären - viele behalten die Gemeindewohnungen, obwohl sie dort gar nicht wohnhaft sind). Auch wird tatenlos zugesehen, wie aus Spekulationsgründen immer mehr Häuser leerstehen und verfallen. Die Gemeinde Wien hätte zwar nach gewisser Zeit ein Enteignungsrecht, aber das nimmt sie nur wahr, wenn gerade eine U-Bahn oder Straße gebaut wird. Schlimmer noch die übrigen Bundesländer. Immer mehr Obdachlose kommen gar nicht aus Wien. Viele werden von ihren Sozialämtern (z.B. in Oberösterreich) mit einer einfachen Fahrkarte nach Wien geschickt, weil hier die Sozialhilfe angeblich leichter zu bekommen ist. Soviel zum Zustand der ÖVP-regierten Bundesländer.

Aber auch nicht alle kommen in den "Genuss" der Sozialhilfe

Viele haben aber gar keine Chance auf Sozialhilfe. Wer z.B. nicht-EU-BürgerIn ist, kann theoretisch schon hingehen. Da aber die Aufenthaltsberechtigung mit dem Nachweis der Bestreitung des Lebensunterhaltes verbunden ist, droht in diesem Fall die Abschiebung. Das heißt im Herkunftsland weiterhungern oder hier durch die Finger zu schauen. Und wer einmal in einem Sozialamt war, weiß dass es dort kein Zuckerschlecken ist. Neben andauernden Schikanen (ReferentInnen zögern die Auszahlungen mit immer neuen Begründungen hinaus) werden bedürftige Menschen dort wie BittstellerInnen behandelt. So als ob es das Geld der ReferentInnen wäre! Verständlich, wenn viele wegen der dort erlittenen Demütigungen nicht mehr hingehen. Viele sozial Bedürftige wissen nicht einmal, dass sie Anspruch auf Sozialhilfe haben. Hier hat die Gemeinde Wien Aufklärungsbedarf! Soziale Einrichtungen wie Notquartiere und Waschmöglichkeiten gibt es in der "Weltstadt Wien" ohnehin kaum. Da springen dann eher schon private Hilfsorganisation wie die Caritas ein. Aber auch hier gibt es Missstände. Menschen mit anderer Hautfarbe werden oft nicht betreut, eine warme Mahlzeit ist häufig mit Gebetszwang verbunden. Wieviel Demütigung müssen Menschen eigentlich noch hinnehmen.

Aber auch das soziale Klima ist verantwortlich

Dass 42 % die ÖVP gewählt haben, hat wohl seinen Grund auch darin, dass Entsolidarisierungstendenzen ausgedrückt wurden. Zum einen der Ruf nach repressiverer Politik, zum anderen die reaktionäre Idee von der "Bürgergesellschaft". Nicht mehr das Gemeinwesen soll sich demnach um soziale Härtefälle kümmern, sondern der/die Einzelne soll von der Gnade der anderen abhängig sein. Wie es damit aussieht, lässt sich eh daran erkennen, wie respektlos bedürftige Menschen behandelt werden. Der Wille zur kollektiven Verantwortung für alle ist offenbar nicht mehr zeitgemäß.

Solidarität ist gefordert!

Wir wissen natürlich, dass die kapitalistische Gesellschaft immer wieder ihre Opfer fordert. Und trotzdem gab es hier eine zeitlang ein soziales Netz, um das Schlimmste abzufedern. Doch die Maschen im Netz wurden und werden immer mehr gelockert. Weil wir uns das angeblich nicht leisten können. Im achtreichsten Land der Welt also! Schlimm ist, dass das auch noch die glauben, die schneller verarmen können, als sie jetzt noch annehmen. Weil niemand glaubt, abstürzen zu können, wenn er/sie noch mehr schuftet als zuvor. Da wird akzeptiert, dass bei steigenden Abgaben das Leben noch teurer wird, sprich: Reallöhne sinken. Menschen in prekären Beschäftigungen (Macjobs) werden immer mehr. Und mit stiller Verzweiflung wirds hingenommen, weil das soziale Netz vielleicht nicht halten könnte.

Und gerade jene, die sich eben so noch durchwurschteln, zeigen dann mit den Fingern auf jene, die noch weit ärmer dran sind. Weil in dieser Ellbogengesellschaft Solidarität nichts zählt. Weil noch alle froh sind, wenn BettlerInnen von der Polizei entfernt werden. Obrigkeitsdenken und Ausbeutung gehen immer Hand in Hand. Nur weil es Arme als Warnung für die Gefahr des eigenen Absturzes gibt, lassen sich alle immer mehr gefallen. Und doch droht der Absturz. Niemand sollte sich in Sicherheit wähnen. Über Nacht mussten amerikanische PensionistInnen durch die Finger schauen, weil ihre Pensionsanlagen verspekuliert wurden. Argentinien, eines der Hoffnungsländer ist zusammengebrochen, weil das kapitalistische System versagt hat. Niemand hätte all dies vor Jahren vorausgesehen. Und doch zeichnet sich zunehmende Verarmung auch hier ab.

Aber anstatt dass man/frau sich gegen die herrschenden Zustände auflehnt und für die Bedrftigen einsetzt, wird auf diese auch noch gespuckt. Und solange alle nur zusehen, und nichts gemeinsam dagegen unternehmen, wird sich nichts ändern. Der Anfang zu einer Gesellschaft ohne Angst und Armut beginnt bei der Solidarität von uns allen!

Als ersten Schritt zu einer Welt ohne Herrschaft!

{rosa antifa wien}