04/2012

Free Pussy Riot!

Seit Oktober 2011 sind sie aktiv - die Aktivist_innen von Pussy Riot. Sie nehmen sich den öffentlichen Raum und tauchen in U-Bahnen oder auf öffentlichen Bussen auf, um dort ein Konzert zu machen. Nehmen den Roten Platz in Beschlag um ihre Statements rauszuschreien, oder irritieren die Hölle aus anwesenden Nonnen und Kirchengänger_innen mit ihrer Inszenierung in der "Christi Erlöser"-Kathedrale. Pussy Riot ist keine homogene Gruppe, sie sind nicht einfach nur eine Punk Band, vielmehr ein loser Zusammenhang - undogmatisch links, feministisch, laut und vor allem: unangepasst. Ihre Auftritte in knalligen Kleidchen und Häkel-Hassis - gepaart mit pointierten politischen Songs - erregen nicht nur viel Aufmerksamkeit, sondern bringen auch einigen Ärger.

Sie lassen sich nicht klassisch kategorisieren, auch wenn diverse Mainstream Medien sie am liebsten auf die Kategorien "Anti-Putin-Proteste" oder "regierungsfeindliche Punk Band" reduzieren wollen. Pussy Riot sparen nicht mit Kritik an Kirche und Nationalismus, sie sind explizit feministisch, antisexistisch und treten klar gegen Homophobie und Rassismus auf.

Das macht sie auch innerhalb der Opposition gegen Putin nicht unbedingt beliebt. Mit den Inhalten, die Pussy Riot über ihre Aktionen transportieren, ecken sie - wenig überraschend - beim Mainstream extrem an. Feministische und klare antisexistische Positionen sind unbequem, ihre Auftritte sind provokant und transportieren klare Statements gegen die HERRschenden Zustände.

Nach dem Auftritt im Februar in der "Christi Erlöser" Kathedrale, wo sie einen Anti-Putin Song einem maximal ungeneigten Publikum zum Besten gaben, setze eine massive Medienhetze ein, welche sich quer durch den Mainstream zog. Die Forderungen, was mit den Pussy Riot Aktivist_innen passieren solle - von der Forderung von "öffentlichem Auspeitschen" oder einer Steinigung bis zur direkten Androhung von sexualisierter Gewalt - zeigen den massiven Hass gegen Frauen im allgemeinen und gegen Feministinnen im speziellen deutlichst auf.

Die Führung der russisch-orthodoxen Kirche wurde aktiv und forderte von der Justiz ein hartes Vorgehen. Nicht wenig verwunderlich also, dass Ende Februar vermeldet wurde, dass nach Artikel 213/2 ("besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung, organisiert als Gruppe, Aufhetzen gegen religiöse Lehren") ermittelt wird. Der angedrohte Strafrahmen: Bis zu 7 Jahre Knast. Bisher wurde dieser Artikel nicht in der Verfolgung von politischen Gegner_innen eingesetzt, womit diese Vorgangsweise eine neue Repressionsqualität darstellt. Anscheinend soll ein Exempel statuiert werden - bisher wurde üblicherweise der "Extremismus"-Paragraph (bis zu 2 Jahre) herangezogen, um Aktivist_innen ins Gefängnis zu bringen - immer noch absurd genug.

Pussy Riot blieben trotzdem weiterhin aktiv und haben in Folge unter anderem einem Radiosender ein Interview gegeben. Die Polizei hat daraufhin über die Medien angekündigt, dass sie die Radio-Journalist_innen verhören werden, und sind schliesslich mit Sondereinheit beim Radiosender aufgetaucht, haben dort Material beschlagnahmt und den Leiter des Senders verhört. Dieser vermeldete über Twitter, dass laut den Ermittler_innen eine eigene Sonderkomission eingerichtet wurde, welche Bericht nach "ganz oben" erstattet. "Chefsache" quasi.

Der Staat schlägt zu

Anfang März gab es die ersten Verhaftungen - durchgeführt von Spezialeinheiten. In der ersten Anhörung wurde den Betroffenen absurderweise vorgeworfen, sie wären untergetaucht, obwohl alle Verhafteten gerade in der Arbeit, zuhause oder auf dem Weg dorthin waren. Zwei der Verhafteten wurden bald wieder freigelassen, und gelten nun als Zeug_innen. Kurze Zeit später wurde eine weitere Frau verhaftet. Sie wurden bei den Verhören massiv unter Druck gesetzt, ihre Anwält_innen wurden tagelang nicht vorgelassen. Die Betroffenen haben jede Aussage verweigert, sie bekennen sich weder dazu Teil von "Pussy Riot" zu sein oder sich an der Performance in der Kirche beteiligt zu haben.

Die bisherigen Haftprüfungen waren - laut Beobachter_innen und Anwält_innen - eine einzige Farce. Unter dem fadenscheinigen Vorwurf der Fluchtgefahr - zwei der Verhafteten haben kleine Kinder - wurde die U-Haft verhängt. Sie befanden sich nach ihrer Verhaftung mehrere Tage lang im Hungerstreik, um gegen ihre rechtswidrige Inhaftierung und die Kriminalisierung von politischem Aktivismus zu protestieren. Die nächste Anhörung über eine Fortsetzung der U-Haft ist für den 19. April anberaumt. Die Staatsanwaltschaft hat bereits angekündigt auf eine abermalige Verlängerung zu bestehen.

Die Haftbedingungen für die Aktivist_innen sind extrem hart. Ihnen wird immer wieder der Zugang zu ihren Anwält_innen erschwert und die Kommunikation behindert. Gegenstände für die Aktivist_innen wurden nicht/kaum weitergegeben, oder überhaupt nicht angenommen. Sie bekommen zeitweise keine Bücher, die Zellen sind eisig kalt, die Betten vollkommen unzureichend und der Knast-Drill menschenverachtend. Die drei Betroffenen werden ständig vom Gefängnispersonal gefilmt, was eine zusätzliche Belastung ist, und natürlich auch zu einem angespannten Klima mit/unter anderen Gefängnisinsass_innen führt. Vorallem die zwei Betroffenen mit Kindern werden massiv unter Druck gesetzt. Ihnen wird vom Ermittlungsleiter mit dem Entzug des Sorgerechts gedroht sollten sie sich weiterhin weigern die Fragen der Ermittler_innen zu beantworten. Ein Druckmittel welches besonders gerne, vorallem gegen widerständige Frauen und Feministinnen, eingesetzt wird.

Inzwischen hat Amnesty International die Aktivist_innen als politische Häftlinge anerkannt.

Massive Hetze

Der breite Mainstream zeigt sich größtenteils mit der Repression gegen Pussy Riot zufrieden. Daneben gibt es aber auch die eine oder andere kritische Stimme, so manche fordern "Milde walten zu lassen" - wohl nicht zuletzt vom hohen Strafausmaß schockiert. Darüber hinaus kommt es aber auch immer wieder zu Solidaritätsaktionen, beispielsweise vor der Polizeistation, wo die Betroffenen einsitzen. Solche Kundgebungen für die Gefangenen wurden von religiösen Fundamentalist_innen und der Putin-nahen "Jugendbewegung" "Nashi" angegriffen, einige Protestteilnehmer_innen wurden verletzt, und bekamen dann auch noch die Polizei-Repression zu spüren. Andere Solidaritäts-Aktionen wurden von den Behörden gleich ganz untersagt. Angehörige der inhaftierten Frauen wurden im Internet mit Namen und Adresse geoutet und erhalten seitdem Morddrohungen.

Von staatlicher Seite wird eine massive Hetze betrieben, die sich nicht nur gegen Pussy Riot richtet, sondern auch gegen Anarchist_innen, Feministinnen, Lesben, Schwule und Trans*Menschen. Der Kirche reicht selbst die bisherige Repression nicht aus. Sie fordert darüber hinaus noch Unterstützer_innen aber auch Journalist_innen, die darüber berichten, nach dem "Extremismus"-Paragraphen zu verfolgen. Die offizielle Linie spricht von "aggressiven libertären Kräften" die "Russland zersetzen wollen". Natürlich darf in der völkisch-nationalistischen Propaganda die antisemitische Komponente nicht fehlen, deswegen wird auch noch betont, dass die "zersetzenden Elemente" aus dem "Ausland finanziert werden". Diese Linie zieht sich sowohl durch offizielle Erklärungen von staatlichen Organen, als auch durch "Predigten" in Kirchen. Der national-völkisch-klerikale Schulterschluss ist sich einig: "es muss Krieg geführt werden gegen die agressiven libertären Kräfte".

Repression und Unterdrückung

Pussy Riot stellen - mit ihrem Aktionismus, den provokanten Texten und klaren Inhalten - das Herrschaftssystem und Unterdrückungsformen in Frage. Grund genug für die Repressionsbehörden zum Schlag auszuholen. Getroffen hat es diesmal drei feministische Künstler_innen. Doch betroffen sind noch viele mehr, deren Fälle nicht/kaum bekannt werden - seien es Künstler_innen, Antifaschist_innen, Umweltaktivist_innen... Sie haben alle eines gemeinsam - sie sind unliebsam und unbequem. Repression ist ein Disziplinierungsmittel, wer nicht im gesellschaftlichen Mainstream mitschwimmt, kann irgendwann betroffen sein. Und wer glaubt das wäre ein russisches Spezifikum täuscht sich gewaltig. Schaut euch um im hier und jetzt. Denkt an den Tierrechtsprozess, die Repression gegen #unibrennt und Antira-Aktivist_innen oder die 129a Prozesse in Deutschland... Getroffen hat es einige - gemeint sind wir alle!

Free Pussy Riot! Fight Repression!

Für freies Leben und Anarchie!

Rosa Antifa Wien