Gegen den Burschenbundball in Linz! [Flugblatt]
Am 8. Februar treffen sich wie jedes Jahr Burschenschafter, im Palais Kaufmännischer Verein – auch "kleine Hofburg" genannt – zum Burschenbundball in Linz. Der Burschenbundball ist genau wie der WKR- bzw. Akademikerball in Wien nicht nur eine "Tanzveranstaltung", sondern dient der Vernetzung dieser rechtsextremen Männerbünde mit der sogenannten gesellschaftlichen Mitte und somit der Weiterverbreitung ihres reaktionären Weltbilds. Seit nun zwei Jahren versuchen autonom organisierte Proteste diesen Ball zu verunmöglichen. Dabei geht es uns nicht nur um die Tanzveranstaltung an sich, sondern um eine radikale Kritik am antisemitischen, sexistischen, nationalistischen, rassistischen und homophoben Normalzustand. Damit diese Kritik auch wahrgenommen wird, genügt es nicht, nur dagegen anzutanzen – Wir wollen diesen Ball und eine Gesellschaft, die ihn hervorbringt, unmöglich machen.
Von Neonazismus bis in die gesellschaftliche "Mitte"
Völkische Verbindungen, allen voran in der "Deutschen Burschenschaft" organisierte pflichtschlagende akademische Burschenschaften, zeichnen sich seit ihrem Bestehen durch ihren völkischen Deutschnationalismus, Rassismus und Antisemitismus aus.
Bereits die Vorläufer der heutigen Burschenschaften waren offen antisemitisch und deutschnational: 1815 wurde in Jena die Urburschenschaft gegründet, die für den Sommer 1817 zum Wartburgfest bei Eisenach einlud. Ziel war vor allem die Pflege des deutschen Nationalismus - für eine Überwindung der Zersplitterung Deutschlands in Kleinstaaten. Beim Wartburgfest, bei dem etwa "Turnvater" Jahn eine zentrale Rolle spielte, kam es auch zu einer Bücherverbrennung: Im Anschluss an einen Fackelzug wurden antinationale oder "undeutsche" Bücher in einem großen Feuer verbrannt. Unter den Büchern war neben dem Code Napoléon etwa auch die gegen den Antisemitismus der Völkischen gerichtete Streitschrift "Gemanomanie" des jüdischen Autors Saul Ascher. Diese Bücherverbrennung diente später als Vorbild der nationalsozialistischen Bücherverbrennung im Mai 1933 durch Studentent der Deutschen Studentenschaft und die SA.
Schon früh wurden in Burschenschaften Arierparagraphen eingeführt, erstmals 1878 bei der Burschenschaft Libertas Wien. 1896 wurden in Wien von einigen völkischen Verbindungen die Waidhofener Beschlüsse gefasst: Mit ihnen wurden als Juden identifizierten Männern die Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen, in den folgejahren schlossen sich weitere Verbindungen den Entschlüssen an. Ebenfalls noch vor der Machtergreifung der Nazis schworen 1918 "Alte Herren" des "Deutschen Burschenbunds", einem Dachverband deutschnationaler Verbände in Österreich, die Mitglieder auf einen Kampf "für das deutsche Volkstum in Österreich und hauptsächlich gegen das Judentum und jegliche das deutsche Volkstum verleugnende Internationale" ein.
Völkisch-deutschnationale Korporationen waren damit Wegbereiter des Vernichtungsantisemitismus und Nationalsozialismus (NS). Da die Nazis keine Organisierung jenseits Nationalsozialistischer Strukturen duldeten, wurde die völkisch-deutschnationalen Burschenschaften formell aufgelöst und in NS-Strukturen in Form des "Nationalsozialitischen Deutschen Studentenbund" (NSDStB) überführt. Für die Burschenschaften war dies ein feierlicher Moment, denn mit der Machterlangung der Nazis wurde Tatsache, wofür sie Zeit ihres Bestehens "im Geiste der Burschenschaft von 1817 (...) gearbeitet haben". Folglich schwor sich die Deutsche Burschenschaft 1935, erneut auf der Wartburg bei Eisenach, auf den Nationalsozialismus ein und löste sich selbst auf. Die Burschenschaften existierten während dem Nationalsozialismus also nur deshalb nicht, weil sie mit dem NSDStB in NS-Strukturen überführt wurden. Anders als die völkischen Verbindungen wurden katholische und einige liberale Korporationen durch die Nazis zerschlagen und enteignet.
Burschenschaften waren aber nicht nur Wegbereiter des Nationalsozialismus sondern sind auch seit der Zerschlagung des NS ideologisch wie personell verstrickt in neonazistische Strukturen. Bereits Ende der 1940er-Jahre konnten sich die Burschenschaften wieder sammeln und organisieren. Einzig das NS-Verbotsgesetzt und der Staatsvertrag verlangten oberflächliche Zugeständnisse an die geänderten Umstände ab: Dem formellen Bekenntnis zum österreichischen Staat steht jedoch die Betonung der "deutschen Volksgemeinschaft" gegenüber.
Es verwundert vor dem Hintergrund nicht, dass seit 1945 regelmäßig Burschenschaften an neonazistischen Aktivitäten mitwirkten, teils sogar maßgeblich: Bereits 1959 marschierten Burschenschafter, völkische Turnvereine und Neonazis mit einem Fackelmarsch zu Schillers 200. Geburtstag durch die Wiener Innenstadt, mit dabei die Neonazi-Größe und Burschenschafter Gerd Honsik. Bei einer antifaschistischen Demonstration gegen den antisemitischen Uni-Professor Taras Borodajkewycz 1965 wurde der Kommunist und KZ-Überlebende Ernst Kirchweger von einem Burschenschafter und RFS-Mitglied niedergeschlagen und starb an den Folgen. Auch im Südtirol-Terrorismus mit mehreren Toten spielten Burschenschafter, vor allem aus Wien und Innsbruck, eine zentrale Rolle.
In den 70er- und 80er-Jahren hatte der gewalttätige Neonazismus in Österreich eine Hochphase. In die Zeit fallen die Aktivitäten der Aktion Neue Rechte (ANR) und Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO). In beiden Gruppierungen waren Gottfried Küssel und Felix Budin prominente Akteure - beide ebenfalls Korporierte. Die VAPO organisierte unter anderem Wehrsportübungen und hatte als Ziel ganz offen die "Neugründung der NSDAP". Viele der bereits damals aktiven tauchten mit Alpen-Donau.info auch in den 2000er-Jahren wieder mit neonazistischer Propaganda, Gewaltandrohungen und Angriffen gegen Antifaschist_innen wieder auf. Und auch bei Alpen-Donau waren junge Burschenschafter im engeren Umfeld aktiv.
Auf der anderen Seite sind Burschenschaften aber auch im legalen und parteiförmigen Rechtsextremismus (in Form von FPÖ und BZÖ) verankert, so sind etwa ein Drittel der FPÖ-Abgeordneten Burschenschafter, die Burschenschaften stellen eine wichtige Personalquelle für die FPÖ dar. Auch jenseits rechtsextremer Milieus genießen Burschenschafter immer noch relativ breite gesellschaftliche Akzeptanz, was sich unter anderem auch am Burschenbundball in Linz zeigt: Bis heute gibt ÖVP-Landeshauptmann Pühringer den Ehrenschutz für das rechtsextreme Event.
Gegen jeden Männerbund!
Durch hierarchische Strukturen und Praxen von Unterwerfung wird in Burschenschaften ein spezifisch autoritärer Männlichkeitstyp ausgebildet. Sie vertreten ein strikt heteronormatives Geschlechtermodell, welches Frauen* und Männer* auf ihre traditionellen Bereiche verweist und Identitäten außerhalb dieses Schemas verneint: Frauen* werden z.B. als schwach, fürsorglich, emotional und passiv gesehen während Männer* stark, mutig, rational und aktiv zu sein haben. Die Mensur als Militarisierungsritus, von dem Frauen* und Juden explizit ausgeschlossen sind, leitet sich aus einem deutschnationalen Männlichkeitsbild ab, in dem Aufopferung fürs (deutsche) Vaterland an erster Stelle steht.
Der Männerbund als Organisationsform ist aber nicht Burschenschaften vorbehalten - frauenfreie und frauenfeindliche Strukturen finden sich in fast allen Gesellschaftsspektren. Durch sie entstehen Seilschaften, die Männern* zu gesellschaftlich relevanten Positionen verhelfen, während Frauen* von diesen strukturell ausgeschlossen werden. Jegliche (pro)feministischen Bewegungen und Aktivitäten fürchten Burschenschafter, wittern sie doch darin den möglichen "Volkstod". Wie die Burschenschafter sind auch diese Rollenbilder in der FPÖ stark verankert: Sie steht (gemeinsam mit der ÖVP) für eine frauenfeindliche und antifeministische Politik, wirbt permanent für ein "Heim-Herd-Mutterkreuz"-Denken, hetzt gegen "Gender-Wahn", macht gegen Abtreibung mobil, und ist immer ganz vorne mit dabei, wenn es um patriarchale "Männerrechte" geht.
Homosexualität ist bei Burschenschaften und auch der FPÖ verpönt. Man(n) setzt auf "echte Männer" und "traditionelle" Frauen. Phrasen und Begriffe - wie zum Beispiel "entartet" oder "Volkstod" - die im Nationalsozialismus geprägt wurden "rutschen" ab und zu auch mal in diverse Hetz-Tiraden etablierter Politiker_innen rein. Akzeptiert wird nur ein traditionelles Familienbild, welches schwule und lesbische Lebensgemeinschaften strikt ablehnt. Es wird ein erbitterter Kampf gegen jegliche rechtliche Gleichstellung oder Anerkennung geführt. Homophobe und transphobe Aussagen aus FPÖ-Kreisen sind keine Ausnahme sondern Ausdruck ihres Weltbildes.
Elitäre Akademiker
Als Ausdruck ihres Elitegedanken akzeptieren Burschenschaften nur Männer aus dem studentischen oder akademischen Milieu. Mit Hilfe ihrer Männerbündelei erlangen Burschenschafter einflussreiche Posten in Justiz, Politik und Wirtschaft – und setzen somit ihren Elitegedanken in die Tat um.
Hier wird auch schon eine starke Orientierung an kapitalistischer Verwertungslogik sichtbar, ist doch für Burschenschafter eine "produktive" Beteiligung an der Gesellschaft Voraussetzung, um Status zu erlangen. Während Nicht-Akademiker nur "weniger wert" sind, sind Männer, die gar nicht arbeiten können oder wollen aus Sicht der Burschenschafter gar nichts wert.
Auch jenseits von burschenschaftlichen Wertvorstellungen ist das Idealbild vom karriereorientierten arbeitstätigen Mann allgegenwärtig. Um gesellschaftliche Wertschätzung zu erfahren, wird von der breiten Mehrheit Bereitschaft zu Arbeit für das nationale Gemeinwohl vorausgesetzt. Können oder wollen Menschen nichts zu diesem beitragen, werden sie als Belastung gesehen oder gar als “schmarotzend” verachtet. Als Konsequenz droht gesellschaftlicher Ausschluss, im Extremfall werden Betroffene Zielscheibe körperlicher Angriffe. Während aber Burschenschafter Frauen* von diesem Ideal aussparen und in der Hausarbeit statt in der Lohnarbeit verorten, macht die Forderung nach Arbeitswilligkeit im modernen Kapitalismus vor keiner* mehr halt – zusätzlich zur Hausarbeit.
Zu kurz gegriffen...
... wäre es, nur gegen FPÖ und Burschenschafter auf die Straße zu gehen und dabei auszublenden, wie stark menschenverachtende und reaktionäre Überzeugungen in der Mainstream-Gesellschaft verankert sind. Antisemitismus, rassistische Hetze, Ableismus (Diskriminierung von Menschen aufgrund körperlicher Normen und Beeinträchtigung.), (hetero)sexistische Stereotypen, Nationalismus und Patriotismus, Elitarismus und kapitalistische Verwertungslogik gehören zum Alltag, sei es am Stammtisch, in den Medien oder im Parlament.
Die herrschende Gesellschaft, unhinterfragt als "einzig mögliches System" akzeptiert, fördert diesen Normalzustand und verunmöglicht zugleich eine gänzliche Auflösung all dieser untragbaren und unerträglichen Verhältnisse.
Kritisch-emanzipatorische Inhalte und Lebensweisen haben es nicht leicht. Wer sich von unten organisiert und/oder gegen die HERRschenden Zustände rebelliert, wird zunehmend kriminalisiert: Politische Aktivist_innen sind ständig mit Anzeigen und Anklagen konfrontiert, um sie einzuschüchtern und ihren Protest zu delegitimieren.
Schluss damit! Die HERRschenden Zustände bekämpfen!
Zerschlagt alle Männerbünde!
Kein Vergeben - Kein Vergessen!
Smash Fascism!