Gründungserklärung
Im Zuge von Sexismusdebatten sind wir zwangsweise auf ein Thema gestoßen, das eine kontroversielle Diskussion auslöste: Sexualität. Immer wieder haben wir festgestellt, daß Sexualität und Sexismus gleichgesetzt wurden. Oft vertraten Leute auch die These, daß in der HERRschenden Gesellschaftsform jeder Geschlechtsverkehr ein sexistischer Akt ist. Jede weitere Auseinandersetzung mit Sexualität wurde abgelehnt.
Als Konsequenz dieser Verdrängung haben wir die Rosa Antifa Wien gegründet. Die heutige Situation stellt sich für uns so dar, daß Sexualität entweder als "goldenes Kalb"angebetet oder kriminalisiert und verteufelt wird. Die Mystifizierung der Sexualität hat zur Folge, daß sie mit Liebe gleichgesetzt wird. Wir betrachten diesen Vorgang als Einschränkung der Lust eines jeden Menschen. Wir halten Sexualität nicht nur für einen Liebesbeweis, sondern auch für eine Art der Kommunikation und für eine Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. Es muß den PartnerInnen einer Beziehung völlig freigestellt sein, ob sie sich treu sind, oder ob sie sich auch mit anderen Menschen, mit deren Einverständnis, vergnügen.
Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß Sexualität, so wie wir sie verstehen und leben, den Interessen von Staat und Kirche entgegengesetzt sind. Wir lehnen Ehe und Familie im herkömmlichen Sinn als Keimzellen des Staates grundsätzlich ab. Der Staat und die Kirche verbieten, verfolgen und kriminalisieren jede Form der freien Liebe. Das ist auch der Grund dafür, daß homosexuelle Menschen bis heute nicht gleichberechtigt sind. Die Nationalsozialisten betrachteten Homosexuelle als "bevölkerungspolitische Blindgänger", verfolgten und ermordeten sie zu Tausenden in Konzentrationslagern. Bis heute gibt es für homosexuelle Opfer des Naziregimes keine Entschädigung, sofern es diese für das begangene Unrecht überhaupt geben kann. Bis heute gibt es mehrere Paragraphen, die Homosexuelle diskriminieren. So wird zum Beispiel im Gesetztestext die Sexualität Homosexueller mit Sodomie (Verkehr zwischen Mensch und Tier) gleichgesetzt. Die Kirche brandmarkt Homosexuelle als unmoralische Sittlichkeitsverbrecher. Wir kommen nicht umhin, an dieser Stelle festzustellen:
Die herrschende Moral ist die Moral der Herrschenden!
Auf der anderen Seite schlägt der Staat einen riesigen Profit durch die Pornoindustrie. Mit der Pornoindustrie wird die männliche Lust befriedigt und Frauen zu Befriedigungsmaschinen degradiert. Die Einräumung gewisser Rechte für Homosexuelle in letzter Zeit entspringt nicht etwa der plötzlichen Anerkennung der völligen Gleichwertigkeit von Heterosexualität und Homosexualität, sondern dem Wunsch, eine neue Marktlücke zu erschließen. Die Pornoindustrie ist schon seit vielen Jahren auf diesen Zeitpunkt vorbereitet. Immer häufiger erscheinen auch schon Pornomagazine für Homosexuelle am Kiosk, jedoch nur für Männer. Auch hier wird versucht, die männliche Lust zu befriedigen. Wir führen das auf die patriachale Gesellschaftsform zurück.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Wir lehnen jede Industrie, die sich an Sexualität bereichert und Menschen ausbeutet, ab. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Mensch auf Grund seiner/ihrer sexuellen Orientierung kriminalisiert wird. Ausbeutung, Unterdrückung und Gesellschaftsformen, die diese hervorbringen, müssen ein für allemal ausgemerzt werden. In einer wirklich freien Gesellschaft muß das Prinzip der freien Liebe zum täglichen Leben gehören. Unterschiede zwischen Mann und Frau dürfen dann nur mehr anatomischer Natur sein.
Weil wir Sexualität als eine Form der Kommunikation und des zwischenmenschlichen Austausches betrachten und darüber hinaus Menschen nicht als Privateigentum ansehen, stellen wir keine Besitzansprüche an andere. Weiters sind wir davon überzeugt, daß kein Mensch als Hetero- bzw. Homosexueller auf die Welt kommt, sondern daß sich diese Neigungen im Laufe des Sozialisationsvorganges herausbilden, oder richtiger: herausgebildet werden. Schon von klein auf werden wir in das HERRschende, patriachale Gesellschaftssystem hineingepreßt. Vom Kindesalter an werden wir täglich auf die uns zugedachte Rolle hingetrimmt: Mächen haben lieb, süß, zurückhaltend, kinderlieb, brav... zu sein, Buben wild, stark, intelligent ...
Auf diese Weise wird bewußt Homophobie erzeugt. Als Homophobie bezeichnen wir jede Art der Unterdrückung, Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung von Lesben und Schwulen. Homosexualität und Zwangsheterosexualität, also die zum Teil sehr rigide Erziehung zur Heterosexualität und die Darstellung von Heterosexualität als gesellschaftliche Norm, sind wesentlicher Bestandteil der Festschreibung von Männern und Frauen auf ihre Rollen im Patriarchat. Das heterosexuelle Beziehungsmodell, die Ehe, die Zweierbeziehung, wird zur Norm, zum Dogma, zur Ausschließlichkeit. Wer sich diesem Prozeß verweigert, wird ausgestoßen und hat im schlimmsten Fall mit Verfolgung zu rechnen. Wir fordern unser Recht, so zu leben und zu lieben, wie wir es für richtig erachten.