Heul doch, Papa!
Egalitäre Rhetorik – antifeministisches Programm: Wie Väterrechtler* den Kampf ums Patriarchat führen
"Wir Väter wollen mehr Verantwortung für unsere Kinder übernehmen." So lautet der Beginn des Aufrufs zur "Daddy's Pride", einer "Europaweiten Demonstration für Väterrechte", die am 12. Juni 2010 in Wien stattfinden soll. Was wie ein guter Vorsatz klingt ist tatsächlich ein harmlos verpackter Versuch von Männern, (wieder) mehr Macht in Beziehungen zu erlangen.
Hauptziel der Kritik der im Selbstmitleid versinkenden Väterrechtler* sind Mütter, vor allem jene, "die Väter aktiv ausgrenzen" würden. Unterstützt würden diese durch eine Rechtssprechung, die ihnen vermeintlich eine allmächtige Position verschaffe – und die Väter mit Ohnmacht zurücklasse. Beklagt wird überhaupt viel: Zermürbende Verfahren, fiese Richter_innen, miese Rechtslage und vieles andere mehr. Denn eine Rolle haben die selbsternannten Vertreter der "aktiven Väter" gut eingeübt: Die des Opfers.
Macht statt Verantwortung
Häufig betonen Väterrechtler*, sie würden Verantwortung übernehmen wollen und mit Verachtung wird auf jene Väter herabgeblickt, welche "die Verantwortung ihren Kindern gegenüber vernachlässigen." Doch das Verhältnis zur Verantwortung ist ein gespaltenes: Es geht den Aktivist_innen hinter Vaterverbot.at & Co. tatsächlich nicht darum, Verantwortung zu übernehmen sondern darum, mehr Entscheidungsgewalt zu erlangen. So wundert es auch nicht, dass zwar Mitspracherecht über Erziehung, Besuchszeiten und den Verbleib des Kindes in dem Fall, dass ein Elternteil verzieht, gefordert wird – aber Verantwortung wird abgelehnt und versucht abzugeben, wenn sie finanzielle Angelegenheiten betrifft. Unterhaltszahlungen seien, so die Väterrechtler*, zu hoch und würden Väter häufig in Existenznöte bringen. Dabei wird ein vollkommen verzerrtes Bild gezeichnet: Denn einerseits sind die gesetzlich geregelten Unterhaltszahlungen an das Einkommen gebunden und üblicherweise gering, andererseits sind alleinerziehende Mütter in der Regel mit weitaus prekäreren finanziellen Situationen konfrontiert.
Neben den Unterhaltszahlungen sehen Väterrechtler* auch Kinderbetreuung (eigentlich zurecht, aber im Widerspruch zu ihren Forderungen nach mehr Zeit mit den Kindern und Verantwortung für diese) als Belastung. Und so wundert es nicht, dass die Väterrechtler* die Doppelbelastung der Frau (Familie und Beruf) zweifach toppen wollen: So wären Väter, die nicht die Obsorge für die Kinder hätten, einer "verschärften Dreifachbelastung" ausgesetzt: Zeitaufwand zur Kinderbetreuung, Beruf und Unterhalt. Väterrechtlern* geht es primär darum, patriarchale Strukturen unserer Gesellschaften abzustreiten beziehungsweise diese zu verteidigen und zu festigen. Denn es ist kein Zufall, dass mit der "verschärften Dreifachbelastung" auf die Doppelbelastung von Frauen (im Sinne von Beruf und Familie oder Lohn- und reproduktiver Arbeit) angespielt wird. Auch hier ist die Rolle des Opfers perfekt eingeübt.
Auch wenn Väterrechtler selber immer wieder anprangern, dass Kinder nach Trennungen zu Machtmitteln werden so tun sie doch selber genau das: Sie versuchen durch die Kinder Macht über die Mutter zu erhalten. Angebliche Bedürfnisse der Kinder werden vorgebracht, um die Bedürfnisse der Väter durchzusetzen – genannt wird das dann "Kindeswohl". Kinder als Druckmittel gegen Mütter sind aber nicht erst nach einer Trennung beliebt: Auch in Beziehungen müssen Kinder oft dafür herhalten. Kinder selber kommen kaum zu Wort – zu groß ist wohl die Befürchtung, sie würden die Bedürfnisse der Väter nicht teilen.
Wenn von Väterrechten die Rede ist...
Mit dem Bedürfnis, die patriarchalen Strukturen zu verteidigen stehen die Väterrechtler* nicht alleine da. Daher verwundert es nicht, dass eine gute Vernetzung mit anderen antifeministischen, reaktionären Gruppen besteht: Überschneidungen gibt es mit Männerrechtlern, Konservativen, Abtreibungsgegner_innen und anderen christlichen Fundamentalist_innen bis hin zu Rechtsextremen.
Schwergewichtige Unterstützung kommt etwa von der FPÖ. So macht sich Norbert Hofer, Nationalratsabgeordneter der FPÖ, für "Scheidungsväter" stark. In Presseaussendungen verteidigt er Väterrechtler*, denen u. a. gefährliche Drohung und Verleumdung vorgeworfen werden. Kein Wunder, hat doch Hofer selbst die Website Trennungsopfer.at initiiert – den eigenen Angaben nach eine "unabhängige Plattform", die sich unter anderem "gegen die Reduktion der Väter auf 'Besuchspapas' und 'Bankomaten'" und "gegen die Entmachtung der Familie" einsetzt. Medieninhaber der Webseite ist – soviel zur Unabhängigkeit – der Freiheitliche Parlamentsklub.
Auch Karl-Heinz Klement, eine schillernde Figur des rechten Lagers – er ist unter anderem für antisemitische Verschwörungstheorien zu Jörg Haiders Tod berühmt-berüchtigt – hält Vorträge zum Thema "Trennungsopfer". Klement bietet ein breites Repertoire christlich-fundamentaler Positionen: So setzt er sich auch für Prämien für Frauen ein, die nicht abtreiben sondern das Kind zur Adoption abgeben und halluziniert immer wieder von "Gender-Wahnsinn" und Homosexualtität als "Kultur des Todes".
Wo von "Trennungsopfern" und "entsorgten Männern" geredet wird, sind Homophobie, christlicher Fundamentalismus und Antifeminismus nicht weit.
Liberaler Anstrich
Mit Verweis auf eine "wechselseitige Emanzipation" stellen sich die Väterrechtler* teilweise auch als im liberalen Spektrum verankert dar. Es wird erklärt, dass die derzeitige Rechtspraxis der modernen Gesellschaft nicht gerecht werden könne: Durch zunehmende Berufstätigkeit von Frauen habe die gute alte Rolle der kinderpflegenden Mutter Lücken bekommen. Lücken, die angeblich zunehmend von den Vätern gefüllt werden. Dank Väterkarenz und ähnlichem sei die vollständige Gleichstellung erreicht, das Geschlecht also eigentlich irrelevant geworden. Doch kaum ist das Geschlecht überwunden, führen uns die Väterrechtler* wieder auf den Boden der vermeintlichen biologistischen Tatsachen zurück: Denn, so die Väterrechtler*, wenn Kinder ohne leiblichen (!) Vater aufwachsen, drohen ihnen erhebliche Schäden •
Um diese Behauptung zu untermauern wird ein konstruiertes Krankheitsbild vorgebracht: Das sogenannte "Parental Alienation Syndrome", kurz PAS: Dieses will den vermeintlichen Umstand fassen, dass Kinder sich nach Scheidungen zumeist vom Vater entfremden und den Kontakt zunehmend abbrechen. Dabei handelt es sich nicht um einen wissenschaftlich bzw. medizinisch anerkannten Begriff, viel eher sollen der wissenschaftlich-sachlich klingende Name und das griffige Kürzel "PAS" Eindruck schinden und vortäuschen, die Argumentation der Väterrechtler* stütze sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. (Dass die Abkürzung PAS dieselbe ist wie für das ebenfalls taktisch erfundene "Post Abortion Syndrome" der fundamental-christlichen Abtreibungsgegner_innen ist vielleicht nur Zufall, der Umgang damit als Argumentationsbasis hingegen frappierend ähnlich.) In Wirklichkeit ist eine Entfremdung vom Vater oft nur schwer möglich: Die meisten der hier protestierenden "Scheidungsväter" zeigten vor der Trennung kaum Interesse an Kinderbetreuung, weshalb Nähe zum Vater nie aufgebaut werden konnte.
Die "Entfremdung" sei, so die Väterrechtler*, Ergebnis eines "systematischen Missbrauchs" des Kindes durch den obsorgeberechtigten Elternteil (im Falle der "entsorgten Männer" also durch die Mutter herbeigeführt). Um dieses Konstrukt aufrecht zu erhalten behaupten Väterrechtler* sogar, dass Vorwürfe von sexualisierter Gewalt (gegen Mutter oder Kinder) nur dazu dienen würden, um den Vater vor dem Kind schlecht dastehen zu lassen – eine vollkommene Verharmlosung von Gewalt! Ebenso echauffieren sie sich über Kampagnen gegen häusliche Gewalt (wie z. B. die Kampagne der Frauenministerin "Verliebt. Verlobt. Verprügelt.") und sehen darin ausschließlich eine Diskriminierung von Männern.
Unterstützung für Gewalttäter
Doch nicht nur das: Väterrechtler* kampagnisieren vehement gegen Frauenhäuser, also Einrichtungen, die Betroffenen von sexualisierter Gewalt Schutz bieten sollen. Manche von ihnen geben voller Stolz zu, die Adressen vieler Frauenhäuser eigenhändig recherchiert und veröffentlicht zu haben - die Adressen sind als Schutzmechanismus vor Gewalttätern geheim. Sie stellen damit eine akute Bedrohung für viele Frauen dar. Spätestens damit wird klar, dass die ständige Betonung, "gegen weibliche und männliche Gewalt in der Familie" zu sein nur Ablenkung ist – vielmehr werden Gewalttäter aktiv in Schutz genommen und verteidigt, wenn sie nicht sogar aktiver Teil der "Bewegung" sind.
Väterrechtler* und auch andere "Maskulinisten", wie sich die "Bewegung" in Anspielung auf den Begriff "Feminismus" nennt, stellen somit ohne Reflexion der eigenen gesellschaftlichen Privilegien die gesellschaftliche Notwendigkeit von Frauenhäusern in Frage, diffamieren Kampagnen gegen häusliche Gewalt als Geldverschwendung und – trauriger Höhepunkt – negieren, dass Frauen stärker von häuslicher Gewalt betroffen sind als Männer. Dies und die Ablehnung feministischer Positionen und Errungenschaften in ihren Publikationen macht deutlich: Diese "neuen" Väter sind die alten Täter!
Von alternativen Männlichkeiten keine Spur
Damit zeichnet sich auch das bevorzugte Männerbild der Väterrechtler ab: Es ist nach wie vor das des Vaters als starker, durchsetzungsfähiger Mann, als familiäres Oberhaupt, das über Frau und Kinder wacht. In den bisher produzierten Texten findet sich kein Entwurf von alternativen "Männlichkeiten", geschweige denn von queeren Praxen und alternativen Zusammenlebensformen. Die sensible Seite wird nur dann vorgekehrt, wenn es gilt, sich über die ach-so-schlimme "Benachteiligung" der Männer auszuweinen.
Um dieses Vorbild des starken Mannes geht es auch beim Parental Alienation Syndrome und anderen Behauptungen: Sie sollen darstellen, wie wichtig es sei, dass Kinder mit beiden Elternteilen aufwachsen, also vor allem: Auch mit dem Vater! Denn die Väter – also jene Männer, die angeblich so gut und flexibel auch die traditionell "weiblichen" Tätigkeiten übernehmen können – haben die "wichtige" Rolle inne, besonders den Jungen dieses antifeministische Männerbild zu vermitteln.