11/2008

Wir bestimmen selbst!

Am 1. Jänner 1975 trat die so genannte Fristenlösung in Kraft. Nach langen und harten politischen Kämpfen, vor allem gegen die ÖVP und andere rechts-katholische Kreise, wurde es für Frauen in Österreich endlich möglich, einen Schwangerschaftsabbruch zumindest straffrei durchführen zu lassen. Doch die konservativen und klerikal-faschistischen Kreise können sich bis heute nicht damit abfinden, dass sich Frauen das Recht herausnehmen, über ihren Körper und ihr Leben selbst zu entscheiden. "Lebensschützer_innen" - wie sich die Möchtegern-Retter_innen von Zellhaufen gerne nennen - treiben weltweit ihr Unwesen. Ihre Methoden reichen dabei von Bombenanschlägen auf Abtreibungskliniken (wie z.B. in den USA), Psychoterror gegen Frauen, die auf dem Weg in eine Klinik sind, bis zu Klagen gegen feministische Aktivist_innen.

"Kreuzzug" gegen Abtreibung

Angriffe gegen die Fristenlösung gab es in den letzten Jahren immer wieder, vor allem von der ab dem Jahr 2000 amtierenden schwarz-blauen Regierung erhofften sich die Abtreibungsgegner_innen Unterstützung. Nicht zu Unrecht, wie sich herausstellte - so gelangte knapp nach Amtsantritt ein Schreiben an die Öffentlichkeit, in dem der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) einem Abtreibungsgegner versicherte: "Wir haben uneingeschränkte Achtung vor dem ungeborenen Leben und lehnen Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich ab. (...) eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Regelungen wird von der ÖVP angestrebt (...)."

Abtreibungsgegner_innen erfreuen sich aber auch jenseits der Politik mächtiger Verbündeter, denn die katholische Kirche (die in Österreich nach wie vor über riesigen Grundbesitz und große finanzielle Ressourcen verfügt) und ihre Vertreter_innen werden nicht müde, die Fristenlösung zu attackieren. Auch der Papst ließ es sich nicht nehmen, beim Österreich-Besuch vor versammelter Regierung und ausführlicher Live-(Hof)-Berichterstattung im ORF ein Abtreibungsverbot zu fordern.

Die Fristenlösung stellt einen Schwangerschaftsabbruch unter Straffreiheit, wenn bestimmte Bedingungen zutreffen. Das heißt: Auf eine Bestrafung wird zwar verzichtet - ein Verbot und die damit einhergehende Stigmatisierung bestehen aber trotzdem weiter. Hardliner_innen wie Weihbischof Laun reicht dies freilich noch nicht: Für ihn würde Strafe eine "Schutzfunktion" erfüllen: "Niemand könne mehr öffentlich für Abtreibung eintreten (...). Väter könnten ihr Kind leichter retten, wenn es die Mutter abtreiben lassen will." Gegen den Willen der Frau?! Degradiert zum Brutkasten!?

Dass schwangere Frauen selbst entscheiden können, wird strikt abgelehnt, wie Laun deutlich macht: "Die Entscheidung zur Abtreibung kann man so wenig respektieren, wie die Entscheidung zu irgendeinem anderen Verbrechen oder Unrecht. Ich kenne niemanden, der, nachdem ihm seine Brieftasche gestohlen worden ist, sagt, man müsse die Entscheidung des Diebes respektieren." Diese Aussage zeigt auch, wie klar sich für Laun die "Besitzverhältnisse" darstellen: Frauen und Kinder stehen nach dieser Logik im Besitz des Mannes/Vaters!

In dem Glauben an die Überlegenheit einer so genannten "abendländischen Bevölkerung” formuliert Laun: "Wenn Europa die eigene Bevölkerung ausrottet, wird es zu einem großen Altersheim. Es entsteht ein Vakuum, in das andere Völker einströmen." Diese völkische Ideologie erinnert stark an rassistische Aussagen von Rechtsextremen und Nazis, die vor einer "Umvolkung" "warnen".

Die Fristenlösung

Es ist eine unglaubliche Frechheit, dass es noch immer Menschen gibt, die sich anmaßen, über den Körper von Frauen bestimmen zu wollen. Die Möglichkeiten von Frauen eine Schwangerschaft zu verhindern oder abzubrechen, ist ihnen ein Dorn im Auge. In Österreich musste ein langer Kampf geführt werden, bis es für Frauen eine "legale" Möglichkeit zur Abtreibung gab.

Am 29. November 1973 wurde die Fristenlösung mit 93 SPÖ-Stimmen gegen die 88 Nein-Stimmen von ÖVP und FPÖ verabschiedet. Am 6. Dezember des gleichen Jahres erhob die ÖVP im Bundesrat Einspruch, das Gesetz wurde trotzdem mittels Beharrungsbeschluss am 23. Januar 1974, wiederum durch die absolute SPÖ-Mehrheit, definitiv abgesegnet. Am 1. Jänner 1975 trat die Fristenlösung in Österreich in Kraft. 50 Jahre nachdem erstmals der Antrag auf Straffreiheit für Abtreibung gestellt wurde!

Seither kann eine Schwangerschaft bis zum dritten Monat straffrei abgebrochen werden, danach nur aufgrund medizinischer Indikationen. Voraussetzung für die Durchführung ist eine vorhergehende ärztliche Beratung und die Durchführung durch eine_n Ärzt_in. Ärzt_innen können sich aus "Gewissensgründen" weigern, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.

Abtreibung wird immer noch von vielen als moralisch verwerflich angesehen: vor allem jene, die ohnehin nie in die Situation kommen, schwanger zu werden - unsere männlichen "Mitmenschen" - sind schnell mit einer Verurteilung zur Stelle. Ein Umstand, der sicher unter anderem durch die Tatsache befördert wird, dass Abtreibung lediglich straffrei ist, und es sich genau genommen um eine Straftat handelt - von deren Bestrafung abgesehen wird. Die gesetzliche Regelung ist aber weiterhin im Strafgesetzbuch zu finden! Dadurch ist es für Abtreibungsgegner_innen leichter, Frauen, Einrichtungen und Ärzt_innen anzugreifen und moralisch unter Druck zu setzen. Für Frauen, die sich für den medizinischen Eingriff entscheiden, ist es schwerer, offen darüber zu reden, weil das Thema durch die moralische Aufladung tabuisiert worden ist, und die Gefahr auf Ablehnung und Verurteilung zu stoßen, sehr groß ist.

Methodik

Die Moralschiene der Abtreibungsgegner_innen ist wirkungsvoll. Gezielt wird versucht - ob im Internet oder auf der Straße, wenn sie versuchen Frauen auf dem Weg zur Klinik abzupassen - durch Fehlinformationen über den medizinischen Eingriff selbst Ängste zu wecken und durch Darstellungen von kleinen rosa Plastik-"Embryonen" Schuldgefühle zu erzeugen und Druck auszuüben.

Durchgängig werden befruchtete Eizellen, Zellhaufen oder Embryonen als "ungeborenes Leben" bezeichnet und damit suggeriert, dass es sich schon um ein Kind handeln würde. Die Sprache und Wahl der Bezeichnungen der Abtreibungsgegner_innen sind durchdacht und wirkungsvoll - sie werden gezielt eingesetzt um Menschen (auch jene, die nicht an "Sünde" glauben) davon zu überzeugen, dass Schwangerschaftsabbrüche - und somit die Freiheit von Frauen über ihren Körper und ihr Leben zu entscheiden - ein furchtbares Verbrechen sei. Um dieses Ziel zu erreichen, schrecken sie auch vor keinem noch so unzulässigen oder "revisionistischen" Vergleich zurück, so gehört etwa der Spruch "Abtreibung ist Mord" zu den ideologischen Standardfloskeln. Die Fristenlösung wird allgemein als "Babycaust" bezeichnet und wird ohne jede Hemmung mit der systematischen Verfolgung und industriellen Vernichtung von über 6 Millionen Jüd_innen sowie weiteren 3 Millionen Roma, Sinti, Homosexuellen, Behinderten, als "slawisch" identifizierte und anderen nicht in die nationalsozialistischen Normen passenden Menschen durch die Nazis verglichen!

Auch in Schulen haben sich die Abtreibungsgegner_innen breit gemacht, und führen dort moralgeladene, möglichst blutige und Ängste schürende Propagandafilme vor. Diese werden von Vorträgen, in denen auch noch gegen Verhütungsmittel gewettert wird, begleitet. Denn so absurd es auch scheinen mag: Organisationen wie "Jugend für das Leben" sprechen sich dezidiert gegen jegliche Verhütung aus!

In Krankenhäusern und Kliniken wird versucht, Druck auf die Ärzt_innenschaft und das Krankenhauspersonal auszuüben, damit diese sich weigern, den Eingriff durchzuführen. Sie können ja - wie bereits erwähnt - aus "Gewissensgründen" Abtreibungen verweigern. Teilweise ist diese Vorgangsweise erfolgreich - und wer sich unbeeindruckt zeigt, kann damit rechnen, denunziert und als Mörder_in dargestellt zu werden.

Weltweit lungern Abtreibungsgegner_innen vor Kliniken und Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, herum. Manche beten still vor sich hin oder halten ihre Propagandabilder hoch, andere versuchen Frauen vom Betreten der Klinik abzuhalten: Das kann vom Versperren des Weges über Beschimpfungen und Drohungen bis hin zu körperlichen Attacken alles sein. Manchmal versuchen sie auch, sich als Beratungsstelle auszugeben und geleiten dann Frauen in ihre Büros, wo sie diese dann mit Propagandamaterial und Horrorszenarien von einer Abtreibung abzubringen versuchen. Das Hauptziel des Terrors um die Kliniken und Praxen ist, diese auf Dauer zu schließen.

Auch auf parlamentarischer Ebene haben die Abtreibungsgegner_innen großen Einfluss und viele Vertreter_innen. So stellte die FPÖ mehrere parlamentarische Anfragen, die alle darauf abzielten die Fristenlösung abzuschaffen, oder zumindest eine Verschärfung herbeizuführen - ein Ansinnen, dem die ÖVP ebenfalls nicht abgeneigt ist. Nachdem sich die Fristenlösung aber nicht so einfach vollständig abschaffen lässt, versuchen sie möglichst viele Schikanen und Hürden für Frauen einzubauen. Die Ideen dafür sind vielfältig: So fordern etwa "Männerrechtler" ein Mitentscheidungsrecht für den Mann - ohne Unterschrift des "Samenspenders" sei die Frau nicht zu einer Entscheidung fähig, geschweige denn befugt, so offenbar die verquere Logik.

Andere denken laut über eine verpflichtende Beratung nach. Nur: Eine verpflichtende Beratung gibt es schon, denn ein Gespräch mit dem_der Mediziner_in ist auch jetzt schon ein Muss. Was gefordert wird, ist also ein zusätzliches verpflichtendes "Beratungsgespräch". Die Plattform "Mut zum Kind" - ein Zusammenschluss von "Aktion Leben" und der Erzdiözese Wien - ist der Meinung, derzeit werde es "Frauen oft einfacher gemacht abzutreiben, als sich für das Kind zu entscheiden" und fordert daher flächendeckende Beratung, die wohl konkret Frauen zum Kinderkriegen drängen soll. Und weil diese "Herrschaften" offensichtlich der Meinung sind, dass Frauen eine Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch nicht fundiert genug treffen können, wird weiters eine verpflichtende "Bedenkpause" zwischen Erstberatung und Eingriff gefordert. Eine absolute Frechheit. Denn nicht nur, dass Frauen als unmündig angesehen werden, es wird versucht, den Weg zum gewünschten Abbruch so langwierig und schikanös wie möglich zu machen! Hinter diesen Vorstößen, die Fristenlösung "zu modifizieren", ist eine Taktik zu erkennen: Zwar soll die Fristenlösung offiziell nicht vollkommen in Frage gestellt aber scheibchenweise aufgelöst werden - bis sie zur Gänze fällt.

Der nächste Schritt ist klar - denn wer soll die flächendeckenden Beratungsstellen betreuen? Diese müssten natürlich staatlich anerkannt sein - und das ist immer eine Frage des politischen Einflusses - und wie viele katholische, FPÖ- oder ÖVP-nahe Einrichtungen werden wohl das Selbstbestimmungsrecht von Frauen nicht in Frage stellen und darauf verzichten die Entscheidung zu beeinflussen? Natürlich muss es dann auch noch einen Nachweis geben, dass Frau sich das LektionenLitaneienVerurteilungsBlaBla brav angehört hat - und das wäre dann wohl ein Beratungsschein mit Unterschrift. Egal welche Beratungsstellen es wären - Frauen zu einem "Gespräch" zu verpflichten, ist eine reine Schikane, die sie zu Bittstellerinnen macht und ihnen ganz unverhohlen ihre Mündigkeit, eine Entscheidung über ihren Körper und ihr Leben alleine zu treffen, abspricht!

Da es in Österreich keine Statistik über entsprechende Eingriffe gibt, zielen auch einige Forderungen von Abtreibungsgegner_innen in die Richtung einer zentralen Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen. So sollen Frauen ihr Motiv für den gewünschten Eingriff nennen - in manchen Ländern werden dafür Formulare vorgesehen, die ausgefüllt werden müssen. Diese Erfassung soll es natürlich nicht deshalb geben, weil etwa Statistiken so essentiell wären, sondern weil man(n) auch mit einem Formular Frauen unter Druck setzen kann. Denn es gibt in dieser Gesellschaft für die ohnehin schon tabuisierte Abtreibung ebenso Gründe, die eher akzeptiert sind, wie auch solche, die als "verwerflich" angesehen werden. So wird ein sozialer/finanzieller Grund - vor allem, wenn damit argumentiert wird, dem Kind später nicht genug bieten zu können - sicher besser aufgenommen als eine Frau, die einfach keinen Bock auf ein Kind hat.

Die FPÖ in ihrem völkischen Wahn fordert sogar Gebärprämien für Frauen, die die ersehnten neuen Staatsbürger_innen zur Welt bringen. Jene, die in ihrer Lebensplanung keine Kinder vorgesehen haben/hatten sollen bestraft werden - in dem sie aus dem Pensionssystem ausgeschlossen werden!

Warum?

Wer gegen Abtreibung ist, will verhindern, dass Frauen die alleinige Kontrolle über ihre "Reproduktionsfähigkeit" haben: Sie sollen auf die Rolle der Mutter zurückverwiesen werden. Frauen sollen belohnt/bestraft werden - je nachdem ob sie Kinder bekommen oder nicht? Warum? Müssen Frauen Kinder kriegen, bloß weil sie es theoretisch könnten? Das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, gehört zu den grundsätzlichen Rechten eines Menschen - nur gelten diese für Frauen offensichtlich nicht!

Die moralisierende Abarbeitung der Gesellschaft findet auf dem Rücken der Frauen statt. Noch immer wird geurteilt und verurteilt. Noch immer müssen sich Frauen für ihre Entscheidungen rechtfertigen und bewerten lassen. Es gibt keine "guten Gründe" und keine "schlechten Gründe" - egal aus welchem Grund eine Frau eine Schwangerschaft abbrechen will: Es ist ihre Entscheidung und diese ist zu respektieren! Ob sie einfach keinen Bock auf Kinder hat, sich finanziell nicht in der Lage sieht, ein Kind zu erhalten, es einfach nicht in die Lebensplanung passt usw. ist ganz einfach ihre Sache! Da braucht keine_r kommen und bewerten, verurteilen oder ihre Mündigkeit in Frage stellen. Und um einen wichtigen Punkt nicht zu vergessen: Auch der "Vater" hat darüber nicht zu bestimmen. Die Entscheidung, ob Kind oder keines, obliegt vollkommen der Frau - und sicher nicht dem Samen"spender"!

Um's klar zu sagen: Wir werden es nicht zulassen, dass uns das Recht auf freie Selbstbestimmung über unsere Körper und unser Leben genommen oder eingeschränkt wird!
Wir führen den Kampf weiter und werden nicht Ruhe geben, bis die letzte Frau auf dieser Welt ihr uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht hat! Wenn die Kuttenbrunzer marschieren und die Völkischen wieder nach "deutschen" Kindern kreischen - ist es allerhöchste Zeit, ihnen unsere Wut entgegen zu schreien!

Wir fordern:

Kostenlose und anonyme Abtreibung (damit auch illegalisierte Frauen - ohne Krankenversicherung - und Minderjährige - ohne Einwilligung der Eltern - diesen medizinischen Eingriff vornehmen lassen können)!

Keine Vorträge von Abtreibungsgegner_innen an Schulen!

Kostenlose und anonym erhältliche Verhütungsmittel!

Keine öffentliche Unterstützung für Institutionen, die das Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht uneingeschränkt akzeptieren!

Vollkommene Legalisierung von Abtreibung!

{rosa antifa wien}