Österreichs Polizisten vermummte Randalisten!
Weiterer Bericht zu den Vorfällen bei und nach der Demo am 2.3.2000
Am Donnerstag dem 2.3.2000 spielten sich in der Nacht in der Wiener Innenstadt Horrorszenenen ab: zwei Vermummte mit gezogener Waffe zogen zwei junge Männer aus einem Taxi, eine junge Frau wurde an anderer Stelle von ebenso Vermummten fast in ein Taxi gezerrt - Szenen einer Entführung, Mafiafehde, Terroristen? Nein! Die Vermummten mit Waffe waren Polizisten! Polizisten der neuen Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst kurz SEK.
Zu den Vorfällen
Erschüttert sieht mensch die Aufnahmen des zufällig anwesenden Videoteams, und glaubt sich in einer südamerikanischen Diktatur: Vermummte Polizisten in Zivil zerren mit gezogener Dienstwaffe zwei junge Männer aus einem Taxi, nachdem diese den antifaschistischen Karneval verlassen haben. Sie werden in einem Hauseingang "amtsbehandelt", uniformierte Beamte kommen hinzu, sie sind augenscheinlich irritiert durch die vermummten Kollegen. Die sind wiederum durch die Kamera irritiert, anscheinend sollte die Aktion eine Nacht und Nebel Aktion werden, und kein Aufsehen erregen, eher eine Entführung als eine Verhaftung! 3 Menschen wurden in dieser Nacht so verhaftet, die junge Frau wurde gegen eine Mauer geschleudert, die angeblichen Gründe der Verhaftungen sind fadenscheinig, dubious und vor allem wechseln sie in den folgenden Tagen noch mehrmals. Im nachhinein werden die Verhafteten einer "Aktionsgemeinschaft gegen die Polizei" zugeordnet, niemand kennt diese Gruppe, es gibt sie einfach nicht, da muß sich die Polizei wohl erst selbst die entsprechenden Flugis schreiben...
Was ist die SEK?
Scheinbar wußte niemand etwas über die Existenz dieser Einsatzgruppe, oder wem sie unterstellt ist, was ihre Aufgaben sind. Große Ratlosigkeit macht sich breit, bis dann eine Zeitung auftaucht: "Der Kriminalbeamte" - "Offizielles Organ der Vereinigung der Bundeskriminalbeamten Österreichs" Ausgabe März 2000, darin findet sich ein Artikel mit dem bezeichnenden Titel: "Freiwillige Kripo-Wehr" - "55 speziell ausgebildete Wiener Kriminalbeamte stellen sich zur Verfügung, Tag und Nacht für den Dienst bereit zu sein. Eine Bereitschaft, die unbezahlt bleibt."
Aha, freiwillig, unbezahlt und wem dann bitte unterstellt? Was kriegen sie dafür? Das Vergnügen ein paar Schwarze zu verprügeln? Oder "gemma Autonome dögln" "tua ma auf da Demo Steine schmeissen"?
Laut Polizeiangaben waren 200 (!) Zivilpolizisten auf dem Antifaschistischen Karneval, 10 waren nach offiziellen Angaben vermummt in den "schwarzen Block" "eingeschleust". Da haben sie sich warscheinlich gegenseitig observiert, denn es gab keinen "schwarzen Block". Wer garantiert, dass die behaupteten "vermummten Randalierer" nicht allesamt Polizisten waren? Die schwarz-blaue Regierung hat ja auch die Legalisierung des "Agent Provocateur" angekündigt, vieleicht haben sich ja ein paar "Freizeit"-Menschenjäger schon mal vorab darin geübt Menschen dazu zu animieren Flaschen zu schmeissen. Hat nur nicht funktioniert, denn Konfetti, und Papiergirlanden waren das einzige was massenhaft durch die Luft segelte!
Spaß beiseite die Lage ist ernst genug!
Die SEK ging am 1. Februar 2000 in Probebetrieb, vorerst für 6 Monate, sie verfügt über 55 Mann, im "Vollausbau" soll sie 100 Mann stark sein. "Die derzeitigen Mitglieder stammen aus allen Teilen Wiens, auch aus Sonderbüros. Drei von ihnen sind Selbstverteidigungstrainer, viele Hobbysportler, alle Einzelkämpfer." Einzelkämpfer, das lässt hoffen! Rambo lässt grüssen! Doch wer diese Gruppe überwacht, wem sie unterstellt ist, wem sie Rechenschaft ablegen muß, ist nicht geklärt. Muß sie überhaupt jemandem Rechenschaft ablegen? Oder ist das SEK einfach eine Truppe Hooligans, die in ihrer Freizeit auf Menschenjagd gehen?
Vogelfrei ist das Motto!
Für mehr oder weniger vogelfrei erklärt wurden in den letzten Wochen Vermummte, Autonome und AnarchistInnen. Es wurden von den Medien, der Polizei aber auch von SOS Mitmensch und der Demokratischen Offensive Assoziationen geschaffen, die gefährlich, vereinfachend und vor allem falsch sind: so wurde das Bild vom "gewaltbereiten Autonomen" geprägt, vermummt mit gewalttätig gleichgesetzt, von "bezahlten BerufdemonstrantInnen", "randalierenden Anarchos", und auch von "RädelsführerInnen" war (und ist) die Rede. Leider sind auch viele DemonstrantInnen auf diese Propaganda reingefallen und haben sich distanziert ohne erst die "anderen" hören zu wollen, so tragen sie zu einer Spaltung der Bewegung bei. Wir finden das traurig, denn die Realität sieht anders aus, als in den Zeitungen und den Medien kolportiert wird:
1) "Gewaltbereite Autonome" wer soll das sein? Die Polizei erzählt von hunderten, schreibt aber gleichzeitig im Staatschutzbericht, das es kaum mehr welche gibt.
Autonom heißt übrigens lediglich, daß diese Menschen parteiunabhängig sind, und selbstbestimmt leben wollen. "Autonome" sind nicht gewaltätiger als der 08/15 Bürger, sogar eher weniger, da in ihrem Leben die Auseinandersetzung/Bekämpfung mit/von struktureller Gewalt z.B. Gewalt gegen Frauen, eine wichtige Rolle spielt.
2) Seit Jahren werden Menschen observiert und kriminalisiert, die ausserparlamentarisch politisch aktiv sind. Menschen, deren "Verbrechen" es ist Flugblätter zu verteilen, Strassentheater und Infotische zu machen, auf Demos zu gehen. Diese Menschen treffen natürlich Maßnahmen um sich selbst zu schützen, sie verhüllen oft ihr Gesicht, um der Stapo die Kriminalisierungsarbeit so schwer wie möglich zu machen. Zwar ist es auf dem Papier ein demokratisches zugesichertes Recht zu demonstrieren, aber die Realität zeigt, daß der Polizei und Österreichs Geheimdiensten Menschen, die dieses Recht in Anspruch nehmen, nicht ganz "geheuer" sind, und damit für sie potentielle Staatsfeinde darstellen.
Also: Vermummen ist Selbstschutz und sagt überhaupt nichts über das Gewaltpotential des/der Vermummten aus!
3) Zum vielgepriesenen "Berufdemonstranten" nur eine Frage: Wo soll er denn jetzt seine Honorarnoten abgeben? Zahlt das jetzt eigentlich da Hojac oder wer?
4) Wenn sie wiedermal von den "randalierenden Anarchos", deren angeblicher "Gewaltbereitschaft" und deren "Rädelsführern" schreiben, können wir nur mehr lachen: Anarch@s sind weder gewaltätig noch randalierend, sie haben auch keine "(Rädels-) Führer", da sie jegliche Art von Führung aus Prinzip ablehnen! Aber Anarch@s haben, wie die Geschichte zeigt, schon immer Regierungen und totalitäre Gruppen verunsichert, und zwar nur durch ihre Einstellung! Es kann anscheinend niemand begreifen, daß Menschen eine HERRschaftslose Gesellschaft anstreben, ohne Unterdrückung von Oben oder zwischen den Geschlechtern, eine Gesellschaft ohne Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe, des Herkunftslandes. Anarch@s achten aufgrund ihrer politischen Einstellung die körperliche Unversehrtheit von Menschen. Wie jeder Mensch haben sie aber das Recht auf Selbstverteidigung. Sie haben auch das Recht auf Demonstrationen zu gehen, egal wie sie aussehen oder angezogen sind!
In letzter Zeit wurden Menschen mit anderer Einstellung genau diese Rechte verwehrt, nicht nur von der Polizei. Menschen die Flugblätter verteilten wurden von Polizisten angegriffen, Menschen die Fotos von Polizeiprügelorgien machten, von dieser bedroht und verfolgt, Menschen wurden grundlos verhaftet und ins Gefängnis gesteckt,... Wo sind wir? In einer lateinamerikanischen Diktatur? Nein wir sind in Österreich, einer angeblich "gefestigten Demokratie", aber was sich jetzt ereignet, hat ein schon sehr lange nicht mehr dagewesenes Ausmaß angenommen: Es wird versucht Menschen verschwinden zu lassen, es gibt Polizeieinheiten die offenbar unkontrolliert agieren, was noch?
Die Gewalt geht vom Staat aus
Wir sind sicher nicht "gewalttätiger" als andere, vielleicht vermummt, verteilen Flugblätter, machen Radiosendungen, Videos, wir diskutieren, machen Straßentheater und Infotische. Trotzdem werden Akten über uns angelegt, wir werden stärker als andere von PolizistInnen bedroht.
Und dennoch kann diese Repression alle treffen, nicht nur die von allen anderen so verschrieenen "Autonomen". Nachdem die Grünen am 6. 3. ein Video über die Festnahmen nach der Opernballdemo auf einer Pressekonferenz gezeigt hatte, hetzte (angeblich) ein anonymer Anrufer die Polizei auf die AusländerInnenberatung der Grünen. Er will einen bewaffneten Schwarzafrikaner gesehen haben, obwohl keiner dort war. Das passiert, wenn mensch das Vorgehen der Polizei in Zweifel zieht.
Und schon deshalb ist es dumm und gefährlich, sich ohne jede Diskussion von Teilen des Widerstandes zu distanzieren. Diese Regierung duldet keinen Widerstand, und sie wird Schritt für Schritt versuchen diesen zu kriminalisieren - heute die "Autonomen", morgen die Grünen, und übermorgen?
Daher sollten wir uns gegenseitig respektieren und unterstützen, statt uns durch völlig aus der Luft gegriffe Distanzierungen spalten zu lassen.
Wir haben es alle nicht nötig, daß sich der Herr Strasser für den braven Widerstand bedankt, während er und sein Apparat gleichzeitig alles tut, um denselben Widerstand zu zerstören. Wir wollen diese Regierung weghaben, nicht uns von ihr loben lassen!