12.11.1999

Rassismus tötet - Patriotismus auch!

Text zur Demonstration "Keine Koalition mit dem Rassismus" am 12.Nov.1999

Wie wichtig es ist dem HERRschenden Rassismus etwas entgegen zu setzen, ist uns wohl allen bewußt. Und wir finden es auch gut und richtig, daß du dich an dieser antirassistischen Kundgebung beteiligst, und damit versuchst ein Zeichen gegen den Rassismus zu setzen.

Aber es sollte uns allen bewußt werden, daß es sich, wie schon beim Lichtermeer, nur um ein punktuelles Ereignis handelt. Damals wie heute wird PolitikerInnen wieder ein Forum gegeben, um ihre Weste und die ihrer Partei rein zu waschen. Es ist blanker Hohn eine SPÖ-Politikerin zu Wort kommen zu lassen, ein Mitglied der Partei, die das Haider Volksbegehren mit Hilfe der ÖVP de facto vollständig umgesetzt hat. Wohlgemerkt nachdem Klima eine so schöne Rede am Lichtermeer gehalten hat. Mitglied einer Partei, der auch Innenminister Schlögl angehört, dessen Polizeiapparat für rassistische Übergriffe bekannt ist, und der die politische Verantwortung für die Ermordung von Marcus Omofuma hat! Es genügt nicht gegen Haider aufzutreten, denn er ist nun mal nicht alleine für den HERRschenden Rassismus verantwortlich, und es sind garantiert nicht "nur" 27% der ÖsterreicherInnen RassistInnen. Die FPÖ hat den Rassismus enttabuisiert, die Kronen Zeitung mit ihrer permanenten Hetze hat ihn gesellschaftsfähig gemacht, die SPÖVP hat ihn zu Gesetzen verarbeitet. Sie alle haben gemeinsam dafür gesorgt, daß sich Menschen, die die "falsche" Hautfarbe, den "falschen" Pass haben, immer mehr beschimpft, bedroht und angegriffen, oder sogar wie Marcus Omofuma ermordet werden! Und um es ein für alle Mal klar zu stellen: Der Mord an Marcus war kein Betriebsunfall, viel mehr ein Ergebnis des jahrelangen Zusammenspiels der staatsrassitischen Kräfte. FP - SP - VP: Staatsrassismus.

Wir sind Österreich?

Wir finden diese Losung aus verschiedensten Gründen fatal!

Nationalismus und das dazugehörige Identitätskonstrukt "Wir Österreicher" (Hojac läßt grüßen) legt mit dieser Abgrenzung die Grundlage für den Rassismus. Abgrenzen und ausgrenzen: Dazu dienen die Staatsgrenzen, an denen das Heer patrouliert. Zum Draußenhalten "der Fremden", die das zum Kotzen beschauliche Leben von "uns Österreichern" durcheinanderbringen könnten. Faktum ist: Beim Versuch nach Schengen-Land einzureisen starben seit 1993 dokumentierterweise zumindestens 1000 Personen. Und: Ein Österreich (mit oder ohne wir) gibt es ohne Grenzen nun mal nicht.

Kurz gesagt: Mit dem Spruch "Wir sind Österreich" gegen Rassismus aufzutreten, ist so wie Feuer mit Benzin zu löschen!

Im ganzen Aufruftext zur Kundgebung geht es niemals konkret um die Betroffenen selbst, vielmehr entsteht der Eindruck, daß es das primäre Ziel ist, das Ansehen Österreichs in der internationalen Öffentlichkeit zu retten. Ein Haider ist halt ein "Schande" und nicht etwa Ausdruck eines herrschenden rassistischen Grundkonsenses. Doch dieser Schuß geht nach hinten los, denn ohne den Druck aus dem Ausland, werden die Möglichkeit an den HERRschenden Zuständen etwas zu verändern, noch geringer.

Und diese Zustände sehen nun mal beängstigend aus: 14% der ÖsterreicherInnen halten sich selbst für sehr rassistisch, 28% für ziemlich rassistisch, 23% für ein bisschen rassistisch und 26% für überhaupt nicht rassistisch. In Anbetracht dessen, daß sich viele "Ausländer raus"-Rufer selbst für gar nicht rassistisch halten, sieht die Wahrheit wohl noch schlimmer aus. DAS ist Österreich!

Aber da war und vielmehr IST noch etwas. Etwas, das dieses Österreich hinter sich geglaubt hat. Und es glaubt es wohl immer noch. Die Rede ist vom Antisemitismus, der gerade in Wien eine lange Tradition hat. Von den Pogromen des Mittelalters über den katholischen Antisemitismus um Schönerer und den Wiener Bürgermeister Karl Lueger, bis zum Novemberpogrom von 1938. Nach diesem sind von einem mittlerweile vergessenen Bahnhof 65.000 Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager verschickt worden. An den Umgang der ÖsterreicherInnen mit der Waldheim-Affäre werden sich noch viele erinnern. Ja, und im September `99 war während des Wahlkampfes ein Plakat zu sehen, auf dem mit gelben Hintergrund "Stopp der Überfremdung" zu sehen war. Das Wort "Überfremdung" ist ein Begriff aus dem Nationalsozialismus, und die Farbe Gelb haben wohl einige als Signal verstanden. Seitdem hat es über 80 registrierte (!) antisemitische Übergriffe in Wien gegeben. In einem Fall wurde einem orthodoxen Juden von einigen jungen Männern der Hut vom Kopf gerissen, und damit gespielt. Und da werden Erinnerungen an jenen 9. November 1938 wach.

Und es gibt noch eine erschreckende Parallele. Österreich schweigt. Und es schweigen auch die OrganisatorInnen dieser Kundgebung. Kein Wort im Aufruf dazu. Wer/Welche sich nicht gegen diese Entwicklung stellt, dem oder der ist das antirassistische Engagement nicht abzunehmen.

Das Pogrom liegt in der Luft.

Auch das ist Österreich.

Ein einmaliges Ereignis wie es diese Kundgebung ist, dient eher zur Beruhigung des eigenen Gewissens und hilft den Betroffenen wenig bis gar nichts - das ist natürlich besser als nichts zu machen - aber im Endeffekt wird nur der kontiunierliche Kampf gegen den Rassismus und die HERRschen Zustände etwas erreichen!

Versuchen wir der rassistischen Hetze von Krone & Co etwas entgegen zu setzen, nehmen wir den Menschen ihre unbegründeten Ängste, diskutieren wir in der Schule, Arbeit, U-Bahn, im Supermarkt, im Flugzeug - egal wo, jeder kann etwas tun, auch du! Schließt Euch mit ähnlich Denkenden zusammen, oder kontaktiert bestehende Gruppen, die Kundgebungen, antirassistisches Theater, Radiosendungen, Infotische und vieles mehr organisieren.

Nicht wegschauen, eingreifen!
Niemals vergessen!

{rosa antifa wien}