19.12.1999

Smash Austria, Smash Nationalism!

Bündnistext, siehe UnterstützerInnenliste im Text unten

Bei den österreichischen Nationalratswahlen gewann am 3. Oktober die rechtsextreme FPÖ über 27% der abgegebenen Stimmen. Damit ist sie zur zweitstärksten Partei Österreichs aufgestiegen. In einigen Bundesländern sogar zur stärksten. Gewonnen wurde diese Wahl mit rassistischen Plakaten die den "Stop der Überfremdung!" forderten. Die stärkste rechtsextreme Partei Europas wurde nicht trotz ihres Rassismus gewählt, sondern genau deswegen. Mit offenem Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Hetze gegen "Sozialschmarotzer" lassen sich in Österreich immer noch Wahlen gewinnen.

Dabei ist das rechtsextreme, nationalistische und rassistische Potential in der Bevölkerung noch lange nicht ausgeschöpft. Es sind noch genug SPÖ-WählerInnen vorhanden die die SPÖ wegen der rassistischen Abschiebepolitik Innenminister Schlögls wählten. Nicht umsonst schnellten die Umfragewerte für die SPÖ nach der Ermordung des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma im Mai 1999 kurzfristig in die Höhe, worauf die SPÖ die Wahlen zum EU-Parlament gewann. Schlögl selbst wurde zum beliebtesten Politiker Österreichs. Nicht zuletzt dankte ihm die Bevölkerung auch die Vorreiterrolle Österreichs bei der Abschottung der "Festung Europa".

Seit Jahren treibt die FPÖ die Regierung mit ihrem Rassismus vor sich her. Diese wiederum verwirklicht willig jene Vorgaben die von Seiten Jörg Haiders gestellt werden - angeblich um dessen Wahl zu verhindern. Daß diese Rechnung nicht aufgeht bewiesen wieder einmal diese Wahlen. Die rassistische Politik der Regierungsparteien treibt nur das gesamte politische Spektrum noch weiter nach rechts.

Gerade deshalb dürfen wir uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß es noch schlimmer kommen kann. Und mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ käme es noch schlimmer. Eine noch wesentlich rassistischere Politik ist auch in der Bevölkerung durchaus mehrheitsfähig.

Und genau darin liegt das zentrale Problem. Die überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen ist rassistisch, nationalistisch, antisemitisch und schließt sich jeder dementsprechenden Hetze begeistert an. Autoritäre Denkmuster sind das "Übliche" und nicht die Ausnahme.

Und hier gibt es durchaus historische Kontinuitäten. Die Geisteshaltungen des Nationalsozialismus sind in der Österreichischen Bevölkerung noch immer präsent. Mit der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches, sahen sich jene ÖsterreicherInnen, die zuvor begeistert der nationalsozialistischen Machtübernahme zugestimmt hatten, plötzlich als die "ersten Opfer des Nationalsozialismus". Mit dieser Opferthese - welche sogar in der Unabhängigkeitserklärung von 1945 ihren Ausdruck fand - konnte sich die zweite Republik bequem aus ihrer historischen Verantwortung wegstehlen. Da es zwischen 1938 und 1945 nur marginalen Widerstand gegen das NS-Regime im Land gegeben hat mußte das Regime von Außen militärisch zerschlagen werden. Im Land selbst wurde mit den ideologischen Versatzstücken des Nationalsozialismus nie gebrochen. Nach einer kurzen, sehr oberflächlichen "Entnazifizierung" saßen schnell wieder die alten NS-Funktionäre in Amt und Würden. Eine Umerziehung der Bevölkerung hat es nie gegeben, eine massenwirksame Aufarbeitung der Geschichte aus sich selbst heraus schon gar nicht.

Rassismus und Antisemitismus hatte somit auch im Österreich nach 1945 Konjunktur. Alle damaligen Parteien (SPÖ, ÖVP und KPÖ) buhlten bereits mit der Wiederzulassung der alten NSDAP-Mitglieder zur Wahlen 1949 wieder um deren Stimmen. Gleichzeitig wurde mit dem "Verband der Unabhängigen" (VdU) ein eigenes parteipolitisches Auffangbecken für alte Nazis gegründet. Nach der Spaltung des VdU gründete der rechte Parteiflügel 1956 die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die nun über vierzig Jahre später unter ihren Parteichef Jörg Haider ihre besten Wahlergebnisse einfahren kann. All diese Jahrzehnte bestanden gute Beziehungen zwischen der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP mit der FPÖ. 1970 bildete die SPÖ sogar eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der FPÖ. Auch danach pflegte die SPÖ gute Kontakte zur FPÖ. Nachdem Simon Wiesenthal* 1975 die Öffentlichkeit über die SS-Vergangenheit des FPÖ-Obmanns Peter informiert hatte, fühlte sich sogar der SPÖ-Bundeskanzler Kreisky bemüßigt Peter in Schutz zu nehmen und Wiesenthal aufs übelste antisemitisch zu beschimpfen. 1983 kam es während der verhältnismäßig liberaleren Phase der FPÖ unter Norbert Steger sogar zu einer Koalitionsregierung der SPÖ mit der FPÖ, welche schließlich durch den FPÖ-internen Putsch unter Jörg Haider 1986 ihr Ende fand. Die neue Parteiführung der FPÖ brachte die Partei durch massiv rassistische Propaganda gegen MigrantInnen wieder auf die Gewinnerstraße. Während die FPÖ während ihres "liberalen" Intermezzos unter Steger fast schon aus dem Parlament geflogen wäre, brachte der offensive Rassismus der Partei nun kontinuierliche Gewinne, die sie nun zur zweitstärksten Partei werden ließen.

Aber nicht nur in Form der FPÖ lebten die Ideologeme der alten Nazis weiter. Auch offene Neonazis organiierten sich schon bald wieder. Als größter und bedeutendster Zusammenschluß dieser Art organisierte die "Volkstreue Außerparlamentarisch Opposition" (VAPO) in den Achzigerjahren sogar militante "Wehrsportgruppen" die von Teilen der Bevölkerung weitgehend toleriert für den gewaltsamen Umsturz übten. Die rassistische Bombenserie bei der in den Neunzigerjahren vier Roma ermordet wurden, war trotz aller zur Schau gestellter Betroffenheit durchaus Ausdruck eines immer offener werdenden Rassismus. Mit der Verhaftung von Franz Fuchs setzte auch sofort die Entpolitisierung dieser Anschlagsserie in den österreichischen Medien und der offiziellen Politk ein. Der "Einzeltäter" wird bis heute als verrückter Psychopath ohne ideologischen Hintergrund dargestellt.

Deutschnationale Burschenschaften konnten und können im universitären Bereich weitgehend ungestört ihren Aktivitäten nachgehen. Ein großer Teil der ideologischen Kader der FPÖ - darunter Jörg Haider selbst - kamen und kommen aus genau diesen Gruppierungen. Im März 1965 wurde bei einer Demonstration gegen den rechtsextremen Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz der Kommunist und Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von solch einem Burschenschafter ermordet. Ernst Kirchweger stellte damit das erste politische Todesopfer der zweiten Republik dar.

Der österreichische Antisemitismus wurde vor allem in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit Kurt Waldheims deutlich, als die Mehrheit der ÖsterreicherInnen in einem "jetzt erst recht"- Effekt den ehemaligen Kriegsverbrecher 1986 zum Bundespräsidenten wählten und alle Vorwürfe mit massiv antisemitischen Gegenvorwürfen von sich wiesen.

Die rassistische und antisemitische Stimmung in der Bevölkerung wird auch von der größten österreichischen Tageszeitung, der "neuen Kronenzeitung" gehegt und gepflegt. Dieses Boulevardblatt, das sich insbesondere die letzten Monate wieder einmal durch Hetze gegen in Österreich lebende AfrikanerInnen hervorgetan hat, erreicht einen Anteil von rund 40% der gesamten Druckauflage österreichischer Tageszeitungen, was einer europaweit einmaligen Medienkonzentration entspricht.

Insgesamt konnten so die einzelnen Ideologieelemente eines faschistischen Weltbildes problemlos von einer Generation auf die andere weitergegeben werden. Da mußte nur jemand kommen der diese bündelt und wachküßt um wieder zu einer Massenbewegung zu werden.

Haider ist kein Nazi. Der historische Nationalsozialismus wird nicht so einfach wiederauferstehen. Dazu ist es einfach 60 Jahre zu spät. Aber die FPÖ ist eine Partei des demokratisierten und modernisierten Faschismus. Aufrund der weiten Verbreitung rechtsextremer Ideologeme in der österreichischen Bevölkerung ist es deshalb auch durchaus denkbar, daß es Jörg Haider zu glauben ist, wenn er behauptet ein "Demokrat" zu sein. Faschistische, rassistische und antisemitische Politik ist durchaus Teil einer parlamentarischen Demokratie. Eine Abschaffung des Mehrparteiensystems bedarf er nicht um eine noch um vieles rassistischere und autoritärere Politik zu betreiben als es die SPÖVP-Koalition bisher praktisiert hat. Eng wird es dann nur für jene gegen die seine Hetze läuft: MigrantInnen, Arbeitslose,... und natürlich für jene wenigen Menschen hierzulande, die sich ihm konsequent in den Weg stellen wollen.

Die Wahl der FPÖ hat bereits jetzt jenen Mob losgebunden, der schon seit Jahrzehnten darauf wartet endlich wieder einmal zuschlagen zu können. MigrantInnen klagen seit dem FP-Wahlsieg vermehrt über Anpöbelungen und gewalttägige Übergriffe. Auch Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde klagt über massiv gesteigerte Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Österreich. Auch die Zahl von Drohbriefen gegen die Kultusgemeinde habe sich gegenüber früher verzehnfacht. Verstärkt wird dieser Antisemitismus auch von einer Reihe österreichischer Medien und Politiker aus SPÖ und ÖVP, die auf Reaktionen Israels auf den Wahlsieg der FPÖ mit sekundärem Antisemitismus argumentierten, der sich u. a. dadurch auszeichnet, daß er Jüdinnen und Juden vorwirft "die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen" und "immer wieder alte Wunden aufzureißen". Wenn selbst die wenigen "liberalen" Blätter auf die Kritik des israelischen Außenministers mit dem Hinweis reagieren, Israel solle vor der eigenen Tür kehren, kann mensch sich vorstellen was für Positionen an Biertischen und anderen Foren der "Volksseele" vertreten werden.

Von dieser Österreichischen Mehrheitsbevölkerung mit ihrem tiefsitzenden Antisemitismus und Rassismus ist damit nichts zu erwarten. Auch der demokratisierte und modernisierte Faschismus eines Jörg Haiders wird wohl kaum von plötzlich auftauchenden antifaschistischen Massen - die es in Österreich nicht gibt - zerschlagen werden.

Deshalb rufen wir die Internationale Öffentlichkeit dazu auf mit Aktionen gegen Österreich vorzugehen und Rassismus und Antisemitismus überall dort zu bekämpfen wo er auftritt!

Arge Kriegsdienstverweigerung und Gewaltfreiheit - Autonome Uni-Antifa (AUA) - Basisgruppe WU - Bündnis Antinationaler Gruppen (BANG!) - Fachschaft Informatik - Grüne, Alternative und Linke an der TU-Wien (GRAL) - Ökologische Linke (ÖKOLI) - Rosa Antifa Wien (RAW)

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