Fremdenrechtsnovelle 2011
another brick in the racist wall...
Ende April wird die Fremden- rechtsnovelle 2011 im Parlament beschlossen. Dagegen organisiert sich in ganz Österreich breiter Widerstand.
Rassistische Gesetze haben Kontinuität
Die Fremdenrechtsnovelle 2011 bringt viele Verschärfungen. Die Vermutung, dass die amtierende Innenministerin die Novelle zu verschulden hat, liegt nahe. Das neue Gesetz spiegelt aber nicht nur die Meinungen der Minister_innen sondern auch die der Akteur_innen in Behörden und Parlament sowie einer breiten österreichischen Mehrheit wider. Die kommenden Änderungen sind nur die Spitze des Eisbergs, sie gliedern sich nahtlos in eine langjährige rassistische Gesetzgebung ein. Denn es gab schon viele Innenminister_innen und noch viel mehr rassistische Gesetze wurden ausgearbeitet, beschlossen und schließlich umgesetzt.
Rassistische Gesetze werden nicht nur von FPÖ, BZÖ und ÖVP sondern ebenso von der SPÖ beschlossen. Genau genommen haben vor allem SPÖ und ÖVP in den 90er Jahren viele Verschärfungen umgesetzt. Auch während der Schwarz-Blauen Regierung zeigte die SPÖ nur gegen eine von mehreren Verschärfungen des Fremdenrechts Widerstand. Im Unterschied zu den genannten Parteien kamen die Grünen bisher kaum in den Genuss des Regierens, spätestens die Wien-Wahl 2010 zeigt aber, dass auch sie es drauf haben rassistisch zu regieren: Ein wichtiger Punkt des Koalitionsvertrags ist immerhin die "Wiener Charta des Zusammenlebens" die nach klassisch rassistischen Stereotypen nicht-Wiener_innen unterstellt, nicht zum Zusammenleben gewillt zu sein.
Gerade weil rassistische Gesetzgebung stärker verankert ist als die jeweiligen Regierungen, ist es wichtig sich nicht nur auf die Minister_innen zu konzentrieren, sondern Rassismus auf allen Ebenen anzugreifen, von der Gesetzgebung bis zum alltäglichen Rassismus. Die Gesetze sind keine "Unfälle", die zum Beispiel der SPÖ "einfach passieren" - sie stehen im Einklang mit einem rassistischen Konsens im Parlament, der darin besteht, dass Migrant_innen "nützlich" für Österreich sein müssen.
Rassistischer Normalzustand
Die rassistischen Gesetze, deren neueste Zuspitzung das Fremdenrechtspaket 2011 darstellt, kommen nicht aus dem Nichts, sondern genießen breite Unterstützung in der Bevölkerung. Rassismus hat in Österreich eine lange Tradition und ist - oft gar nicht bewusster - Bestandteil des Welt- und Selbstbildes weißer Österreicher_innen. Dabei geht es nicht nur um gewalttätige Hooligans und Neonazis (deren Taten die meisten Menschen verabscheuen), sondern vor allem um die unbemerkte Normalität, die sich zum Beispiel im Beharren auf "Integration", im starren Festhalten an deutscher Einsprachigkeit, in der unhinterfragten Akzeptanz von Grenzen und Kontrollen oder in der Überzeugung, dass Migration auf die eine oder andere Weise reguliert werden müsse, äußert. Zu Grunde liegt diesen scheinbaren Selbstverständlichkeiten eine bestimmte Vorstellung davon, was und wer "hierher gehört" und wer als "fremd", als "anders" kein selbstverständliches Recht haben soll, in diesem Land zu leben, seine Institutionen zu nützen, sich zu äußern, Forderungen zu stellen oder sich zu organisieren. Diese weit verbreiteten Sichtweisen sind als rassistisch zu bezeichnen, denn sie teilen Menschen in Gruppen ("wir" und "die Anderen"/"die Fremden") ein, schreiben diesen angeblichen "Fremden" bestimmte Eigenschaften zu und sichern damit die eigene Dominanz. Es sind stets die "Einheimischen", die darüber bestimmen, was und wer als "fremd" gilt.
Diese Strukturen der österreichischen Normalität machen Rassismus zu etwas Alltäglichem - auch jenseits von offen auftretendem Hass, von Vorurteilen und Stereotypen. Damit soll nicht bestritten werden, das rassistische Ressentiments (etwa gegen Roma, gegen Schwarze Menschen, gegen Türk_innen...) existieren und ebenfalls eine große Rolle spielen. Besonders hoch im Kurs steht dabei derzeit der anti-muslimische Rassismus - aus christlicher wie aus vermeintlich aufklärerisch-liberaler Perspektive wurde und wird der Islam zum neuen Lieblingsfeindbild stilisiert. Immer stärker entwickelt sich in diesem Zusammenhang auch eine rechte Zivilgesellschaft, die an "Stammtischen" und durch "Bürgerinitiativen" mobil macht und dabei Formen von direktdemokratischem Engagement in den Dienst ihrer rassistischen Propaganda stellt.
Eine grundsätzliche Kritik des rassistischen Normalzustands muss sich daher gegen staatlichen Rassismus in Form von Gesetzen und bürokratischer Praxis genauso richten, wie gegen die Hetze von Gruppierungen wie "Pro Österreich", der FPÖ oder der Kronen Zeitung. Sie muss aber immer auch versuchen, die Normalität rassistischen Denkens und rassistischer Strukturen zu erfassen - auch wenn die mehrheitsösterreichischen Kritiker_innen selbst sich davon nicht so einfach befreien können.
Das Fremdenrecht - ein Instrument rassistischer Politik
Als Instrument zur Regulierung von Migration dient in Österreich das Fremdenrecht. Es regelt, wie mit Menschen umgegangen wird, die sich in Österreich aufhalten aber keine österreichische Staatsbürger_innenschaft haben - die Unterscheidung in "Österreicher_innen" und "Fremde", festgemacht an einem Stück Papier. Doch Österreich ist damit nicht alleine: Andere Staaten haben ähnliche Regelungen - und erst damit kann es Abschiebungen von einem Land in ein anderes geben.
Wie Menschen zu einer gewissen Staatsbürger_innenschaft gelangen, liegt dabei meist außerhalb ihres Einflussbereichs: Üblicherweise werden Menschen per Geburtsort oder Abstammung zwangsweise zu Staatsbürger_innen eines Staates. Mit der Staatsbürger_innenschaft - quasi ein spezieller Vertrag - bekommt mensch Rechte zugesprochen (soweit es sich um einen Rechtsstaat handelt), muss aber auch gewisse Pflichten befolgen. Des weiteren erlauben sich Staaten meistens, über "ihre" Staatsbürger_innen zu verfügen - was dann unter anderem dazu führt, dass ein Staat Menschen abschieben kann und diese dann von einem anderen Staat als die "seinigen" anerkannt und aufgenommen werden.
Erst Staatsgrenzen ermöglichen die Feststellung, ob sich ein Mensch an einem Ort mit gültigem Aufenthaltstitel aufhält. Auch Harmonisierungen auf EU-Ebene ändern nichts an diesem Prinzip. Seit Österreich der Europäischen Union und vor allem dem Schengener Abkommen beigetreten ist, haben diese Striche auf der Landkarte innerhalb der EU an Bedeutung verloren, die Kontrollen haben sich in das Landesinnere verlagert. Zusätzlich haben die EU-Außengrenzen stark an Bedeutung gewonnen, eine massive Abschottung dieser ist die Folge. Für Flüchtlinge ist das Dubliner Übereinkommen von Bedeutung: Es regelt, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist, was dazu führt, dass Menschen innerhalb der EU von einem Staat zum anderen abgeschoben werden können.
Ein positiver Bezug auf Österreich oder die EU erscheint vor diesem Hintergrund fragwürdig, stellen sie doch die Grundlage für rassistische Gesetze dar, die auf der Unterscheidung zwischen Österreicher_innen bzw. EU-Bürger_innen und allen anderen basieren.
Alles was Recht ist...
Anstatt diese Grenzziehungen grundsätzlich in Frage zu stellen und das Fremdenrecht als Instrument rassistischer Politik anzugreifen, werden oft "nur" dessen brutalste Teile als "Unrecht" kritisiert, und an die Rechtsstaatlichkeit appelliert. Auch Forderungen nach (menschen)rechtskonformen Abschiebungen werden immer wieder gestellt. Die Annahme, das Fremdenrecht würde einer Rechtsstaatlichkeit widersprechen trifft allerdings meistens nicht zu. Immerhin ist Österreich ein funktionierender Rechtsstaat, was auch dazu führt, dass manche Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden.
Recht ist immer auch ein Herrschaftsinstrument: Es regelt das Leben in einem Staat und zwischen Staaten. Verhalten, das mit dem Recht nicht konform geht, wird üblicherweise sanktioniert. Was allerdings als konform gilt und was nicht ist eine hochpolitische Angelegenheit - und spiegelt hegemoniale gesellschaftliche Normen wider. Recht dient aber nicht nur der Festigung gesellschaftlicher Normen, sondern auch dazu, durch Legalisierung oder Illegalisierung verschiedenen nationalen und wirtschaftlichen Interessen Vorteile zu verschaffen. So werden auch illegalisierte Menschen zu einem gewissen Grad toleriert, sind sie doch rechtlose Arbeitskräfte und somit ausbeutbarer als Menschen mit gesichertem Aufenthaltsstatus.
Rassismus hat in Österreich lange Tradition und schlägt sich auch im Recht nieder. Somit ist es möglich, dass Abschiebungen rechtskonform sind und dass willkürliche Razzien bei Leuten ohne österreichischer Staatsbürger_innenschaft rechtlich gedeckt sind. Die rassistische Rechtspraxis zeigt sich auch am rechtswidrigen Grenzübertritt: Genau genommen ist ein rechtswidriger Grenzübertritt nur eine Verwaltungsübertretung - wird aber verfolgt wie ein Schwerverbrechen. All dies ist gedeckt von der demokratischen Rechtsstaatlichkeit. Denn Rechtsstaatlichkeit heißt nicht automatisch auch Gerechtigkeit.
Ein "humanes Fremdenrecht" gibt es nicht!
Die Debatte über ein "humanes Fremdenrecht" ist daher absurd, denn ein solches gibt es nicht! "Humane Abschiebungen", "familiengerechte Schubhaft", "menschenrechtskonforme Schubhaftzentren" und ähnliche Euphemismen werden in letzter Zeit immer wieder im Zusammenhang mit Abschiebungen und Schubhaft genannt. Dabei geht es vordergründig darum, besonders Abschiebungen von Familien mit Kindern für die Behörden einfacher zu machen und andererseits darum, mehr Kontrolle über die erzeugten Bilder zu erhalten: Ein paar wenige Abschiebungen der letzten Monate bekamen mehr Öffentlichkeit als es den Behörden und Politiker_innen angenehm war.
Die Antwort darauf sind Schubhaftzentren, die möglichst "freundlich" und "attraktiv" sein sollen. Beamt_innen der Fremdenpolizei sollen bevorzugt nicht mehr in Uniform auftreten, damit sie nicht so bedrohlich wirken. An dem Kern der Sache ändert sich durch dieses Behübschen freilich nichts: So schön die Schubhaftzentren auch sein wollen: Sie sind Gefängnisse mit Stacheldrahtzaun, Polizeiüberwachung und was sonst so dazugehört. Auch sind sie weiterhin als Druckmittel gegen "Fremde" da: Sie können jederzeit in Schubhaft genommen werden, im schlimmsten Fall droht eine folgende Abschiebung. Diese Entwicklungen zeigen auch, dass es problematisch ist, ein "humaneres" Fremdenrecht zu fordern, führen sie doch - wenn überhaupt - nur zu Praxen, die Folter und Mord, Haft und rassistische Gewalt verbergen sollen.
In eine ähnliche Richtung gehen auch die immer häufigeren und vom umfangreichen Budget der europäischen Grenzschutzagentur Frontex finanzierten Sammel-Abschiebungen. Bei diesen Charter-Abschiebungen werden aus mehreren EU-Ländern Personen "gesammelt" um dann in einem Flugzeug kosteneffizient abgeschoben zu werden. Sie sollen aber nicht nur die Kosten senken, sondern dienen auch dazu, Abschiebungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführen zu können. Gerade Wien-Schwechat stellt eine zentrale Drehscheibe dieser europäischen Abschiebepolitik dar: Viele Charter-Abschiebungen in der EU werden über Wien-Schwechat abgewickelt, denn sie sind ein äußerst lukratives Geschäft, mit dem Österreich ganz direkt von Abschiebungen profitiert.
Doch nicht nur die Forderung nach "humaneren" Gesetzen, sondern auch ein Eintreten gegen Teile des Fremdenrechts geht nicht weit genug: Werden einzelne Gesetze als besonders schlimm dargestellt, werden die anderen Gesetze legitimiert und akzeptiert. Wir sind nicht nur gegen die aktuelle Novelle oder einzelne Härten des Fremdenrechts, sondern wir wollen das gesamte Fremdenrecht in die Mülltonne treten.
Für bedingungslose Bewegungs- und Bleibefreiheit!
Statt selektiver Solidarität mit nur manchen Menschen fordern wir ein grundsätzliches Umdenken und Brechen mit dem rassistischen Konsens. Alle Menschen sollten selbst entscheiden können, wo sie leben möchten - dass nur ganz wenige privilegierte Personen diese Möglichkeit haben, ist klar rassistisch. Was gibt einem_einer österreichischen Staatsbürger_in im Gegensatz zu allen anderen Menschen das bedingungslose Recht, hier zu leben - das Privileg, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort von bestimmten Eltern geboren worden zu sein?
Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen und fixer Bestandteil unserer Welt. Aus einer antirassistischen Perspektive müssen wir die Utopie einer grenzenlosen Gesellschaft immer wieder neu formulieren und über die genauso wichtige Kritik an spezifischen Verschärfungen hinausgehen.
... we don't want no deportations!
we don't need no police control!
Dieser Text ist Teil des Readers "another brick in the racist wall...", der im Zuge der Proteste gegen die Fremdenrechtsnovelle 2011 von einigen Antirassist_innen produziert wurde.