09/2013

Feuer und Flamme der Repression! Wie die Polizei den Protest gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner_innen unterdrückte

 

Mehrere Kessel, 37 Festnahmen, die meisten verbunden mit Anzeigen nach §285 Strafgesetzbuch. Donnerstag früh hätte noch niemand geglaubt, dass die ProChoice Demo in Salzburg an diesem Tag so enden wird. Das polizeiliche Vorgehen ist ein weiterer Versuch, widerständige Kräfte einzuschüchtern und Kritik zu kriminalisieren. Dieser Bericht soll und kann nicht objektiv und auch keine Analyse sein, er beschreibt meine Perspektive auf die Ereignisse von Donnerstag mit Fokus auf Repression und Haft. 

Abtreibung ist Frauenrecht! - Die Demo

Um 14:30 sammelten sich etwa 120 Aktivist_innen am Salzburger Mirabellplatz. Schon bevor die Demo sich überhaupt in Bewegung setzte, gab es den ersten kleineren Zwischenfall. Einer der Christen-Fundis fiel der Rednerin der antisexistischen Front ins Wort und störte mit Zwischenrufen. Er blieb dann provokant am Ort der Kundgebung. Weder der anwesende Verfassungsschutz in zivil noch Uniformierte sind eingeschritten. Einige Demoteilnehmer_innen entfernten ihn dann kurzerhand selbst vom Kundgebungsort. Die Polizei unternahm hier nichts. Kurz darauf ging die Demo los, voran ein starker und lauter Frauenblock.

Nach nur wenigen hundert Metern dann ein zweiter Zwischenfall. Nach Provokationen eines (Zivil-?)Polizisten sollte ein Aktivist aufgeschrieben werden, auch eine Festnahme stand im Raum. Die Demo blieb stehen, formierte sich neu. Die Polizei zog sofort zusätzliche Einheiten hinzu, griff die Demo an und schirmte einen Teil mit einer Polizeikette ab. Hier gab es einige Übergriffe, so wurde ein Aktivist mit einem Griff ins Gesicht weggedrückt, es wurde grob gestoßen und gedrängt. Nach einer Diskussion zog sich die Polizei schließlich zurück, die Demo durfte weitergehen.

Der weitere Weg zum Schlusspunkt verlief ohne Störaktionen von außen, die Stimmung war gut, mit kämpferischen Sprechchören wie "Kein Gott, kein Staat, kein Patriachat" und weiter hinten auch feministischer Musik. Zwischenzeitlich störten ein paar uneinsichtige Macker immer wieder im Frauenblock, woraufhin die Demo kurz stoppte und sie nachdrücklich aus dem Block verwies. Erst als sie diesen dann auch wirklich verlassen hatten, ging die Kundgebung weiter. Es folgten die Schlussreden. 

Kessel und Verhaftung

Doch dann kam die Nachricht von einem Kessel am Universitätsplatz. Etwa 5-7 Aktivist_innen wurden hier festgehalten, die christlichen Fundis zogen in dem Moment vorbei, mit Marienbild, weißen Kreuzen und teilweise den Spruch „Gesellschaft wird gesünder, mit Väter, Mütter, Kinder“ murmelnd. Durch einen Tunnel wurde der Kreuzmarsch in die Getreidegasse gelotst. Hier kam es im weiteren Verlauf zu einem zweiten Kessel, etwa 25 Personen wurden mit einer Polizeikette isoliert und dann gekesselt. Andere ProChoice-Aktivist_innen wurden mit der Drohung sie würden sonst aufgeschrieben werden, teilweise mit lächerlichen Begründungen wie Verweis auf die StVO, zerstreut. Es wurden auch Identitätsfeststellungen bei Personen durchgeführt, die den Polizeieinsatz vom Gehsteig aus dokumentierten. 

Ein Polizist fragte, ob es ein_e Sprecher_in bzw. verantwortliche Person der Gruppe im Kessel in der Getreidegasse gibt. Als dies verneint wurde, wurde ohne Angabe eines genauen Grundes angekündigt, dass wir an Ort und Stelle bis auf Weiteres festgehalten werden. Etwa eine Viertelstunde später wurde uns durch einen Polizeisprecher verkündet, dass Identitätsfeststellungen vorgenommen werden und alle gekesselten Personen anschließend ins PAZ Alpenstraße gebracht – sprich festgenommen – werden. Die Gruppe wurde aufgefordert, freiwillig einer nach dem anderen den Kessel zu verlassen, was wir ablehnten. Weitere 15 Minuten später begann die Polizei, teils unter Anwendung von unverhältnismäßiger Gewalt (Würggegriff, Personen zu Boden werfen, Gelenke verdrehen etc.), Aktivist_innen aus dem Kessel zu ziehen und in Gefangenentransportbussen wegzubringen. Das Prozedere dauerte sicher 2-3 Stunden, wobei uns die ersten 1-1,5 Stunden kein Wasser zur Verfügung stand (der Kessel befand sich vor einem Souvenir-Shop in der vollen Sonne). Es wurden Sanitäter bestellt, sollte eine Person aufgrund der unerträglichen Hitze und Enge im Kessel zusammenbrechen, der Polizei war also durchaus bewusst, unter welchen Bedingungen (Hitze, direkte Sonne, kein Wasser) sie uns festhielten. Uns wurde von der Polizei erst etwas zu trinken gegeben, als uns bereits Unterstützer_innen Wasser organisiert hatten. (An dieser Stelle nochmals vielen Dank!)

Wie Protest kriminalisiert wird – Haft und Vernehmung

Was man uns eigentlich genau vorwirft, sollten wir erst beim späteren Verhör erfahren, davor wurde zumindest mir nie Auskunft darüber gegeben. Wir wurden die ganze Zeit über abgefilmt, einzeln gewaltsam aus dem Kessel gezogen und durchsucht. Unsere Taschen und alle anderen persönlichen Gegenstände bis hin zum Taschentuch wurden uns abgenommen und in jeweils einer beschrifteten Mülltüte weggebracht. Ein Polizist nahm die Personalien auf, unter anderem wurden auch Matrikelnummern aufgeschrieben, die bei manchen später auch in der gegenständlichen Begründung der Festnahme standen. Er fragte nach Beruf, Telefonnummer und weiteren persönlichen Daten, bekam jedoch von niemandem Auskunft. Dann notierte er kommentarlos offenbar Kleidung, Haarfarbe und anderes, worüber er uns keine Informationen gab. Die Herausgabe der Dienstnummer wurde manchen mit Verweis auf "später" verweigert. Schließlich wurden wir zu Polizeiwägen gebracht und dort eingeschlossen.

Nach einiger Wartezeit wurden wir dann ins PAZ Alpenstraße gebracht, wo uns eine Gruppe Polizist_innen nach Gender trennte und durchs Gebäude dirigierte, fremdbestimmt, ein Befehl nach dem anderen. Polizistinnen führten uns in eine Art Abstellraum neben einem Büro und forderten uns auf, uns auszuziehen. Durchsucht worden sind wir schon vor Ort beim Kessel. Aber wir könnten ja in Schuhen oder BHs Gegenstände verstecken, erklärten sie. Ich weigerte mich. Die Polizistin reagierte verärgert, rief sofort eine weitere Kollegin dazu, drohte die Durchsuchung zwangsweise zu vollziehen. Das müsse ich schon verstehen, kommentierte eine Polizistin, sie hätten hier ja oft gefährliche Verbrecher (sic!). Die Rechtfertigung einer Polizistin „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ hatte schon eine gewisse Ironie. Nach der Durchsuchung wurden wir in einen etwa 15m2 großen komplett leeren Raum gebracht, wo wir auf die Verhöre warteten. In unregelmäßigen Abständen und einer beliebigen Reihenfolge holten sie eine nach der anderen zum Verhör, es war inzwischen längst dunkel geworden. Wir konnten nur schätzen, wie spät es war, Uhr gab es keine, unsere hatten sie uns auch abgenommen. Einmal kam eine Polizistin zu uns, um zu sagen, dass wir hier bis zu 48 Stunden festgehalten werden. Wer auf die Toilette gehen wollte, wurde dorthin begleitet, die Toilettentür durfte nicht geschlossen werden.

Irgendwann war jedes Zeitgefühl dahin, draußen Dunkelheit, drinnen nervig-grelles Licht (das wir nicht abdrehen durften, weil sonst die Kamera den Raum nicht überwachen hätte können), eingesperrt in diesem Raum ohne Sessel, ohne Möbel, nur vergitterte Fenster mit Blick auf einen leeren Gefangenentransporter. Wir waren alle müde, an Schlaf war unter den Bedingungen aber nicht zu denken. So warteten wir Stunde um Stunde. Nach gefühlten Ewigkeiten wurde ich dann schließlich zum Verhör gebracht. Sie versuchten zuerst noch ein paar Tricks, wollten „nur aus persönlichem Interesse“ wissen, warum ich denn bei so einer Aktion mitmache, wo ich doch so vernünftig wirken würde. Ob ich mir überhaupt im Klaren sei, was das für Folgen eine Vorstrafe für mich haben kann und dass wir doch alle keine Ahnung von Gerechtigkeit hätten. Nicht zu kooperieren hätte keinen Sinn, sie würden ja ohnehin alles herausfinden. Auch vom Verhörleiter von der KriPo konnte ich mir – wie wohl alle Inhaftierten – diverse Belehrungen anhören. Ich verweigerte die Aussage und jede Unterschrift, sowie auch die ED-Behandlung (heißt Foto, Fingerabdrücke, DNA-Probe). Sie kündigen an, mich dann eben dafür vorladen zu lassen, was alles nur für mich umständlicher machen würde. Dann konnte ich gehen. Einige Zeit später später verließen dann auch die letzten Inhaftierten das PAZ, doch alle gingen wir mit einer Strafanzeige und mit der Drohung, wir würden bald wieder vorgeladen sowie erkennungsdienstlich behandelt werden.

Wir lassen uns nicht einschüchtern!

Das Vorgehen der Polizei zeigt einmal mehr deutlich, wessen Interessen Polizei und Staat schützen: Während beispielsweise das Eindringen eines Abtreibungsgegners in unsere Kundgebung (siehe oben) von der Polizei bewusst zugelassen wurde, wurde der Protest gegen den Marsch der frauenverachtenden Christen-Fundis mit Verhaftungen und strafrechtlichen Anzeigen beantwortet. Wie immer gilt dabei: Gemeint sind wir alle. 

Auch wenn dieser Tag sicher nicht so bald vergessen sein wird: Die Antwort auf diese Repression kann nur sein, standhaft zu bleiben und weiterzukämpfen. Die Unterdrückungsmaßnahmen zeigen die Notwendigkeit des Protests nur noch deutlicher. Umso entschlossener müssen wir unser Recht auf Widerstand gemeinsam verteidigen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir lassen uns Protest nicht verbieten. Feuer und Flamme der Repression!