29.01.2013

Update von den Refugee-Protesten

Über zwei Monate ist es nun her, dass Refugees von Traiskirchen nach Wien demonstrierten und in der Folge ein Protestcamp im Sigmund Freud-Park in wiens Innenstadt errichtet haben. Das Camp wurde nach einem Monat, am 28. Dezember, in der Nacht von der Polizei mit Baggern rücksichtslos zerstört. Bereits am 18. Dezember waren einige Refugees in die Votivkirche übersiedelt. Am 23. Dezember sind einige Refugees in der Votivkirche zudem in Hungerstreik getreten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Nach einem Monat Hungerstreik beschlossen die Refugees, diesen zu unterbrechen, um neue Kräfte für den weiteren Protest zu sammeln. Zugeständnisse seitens des Innenministeriums gab es bisher keine - einzig das wiederholte "Angebot", die Refugees wieder in die übliche Grundversorgung für Asylwerber_innen aufzunehmen. Diese Grundversorgung und Unterbringung in Asylwerber_innen-Unterkünften wäre zwar wärmer als im Camp oder in der Votivkirche, doch geht es den Refugees gar nicht darum: Es geht darum, frei zu sein von Essenspaketen und Taschengeld.

Neben der Zerstörung des Refugeecamp in der Votivkirche (von der SPÖ-Bürgermeister Häupl Bescheid wusste) gab und gibt es aber weitere Repression und Versuche, die Proteste zu zerschlagen und aufzuspalten: Am 12. Jänner wurden mehrere Refugees in den Räumen der Human- und Sozialwissenschaften (HuS) der Universität Wien von der Polizei kontrolliert und festgenommen. Vier von diesen wurden von der Polizei in Schubhaft genommen und ein Teil von ihnen sitzt bis heute im Polizeianhaltezentrum am Hernalser Gürtel fest.

Immer wieder finden Demonstrationen der Refugees und Unterstützer_innen statt, um einerseits auf ihren Kampf und Forderungen aufmerksam zu machen, und andererseits an die nach wie vor Inhaftierten zu erinnern und ihre Freilassung zu fordern. Da selbstorganisierte Proteste nicht nur in Wien sondern auch an vielen anderen Orten in Europa stattfinden, gibt es Pläne, diese Bewegungen stärker zu Vernetzen: Für 16. Februar wird europaweit zu einem Aktionstag der Refugee-Proteste aufgerufen und von 1.-3. März wird in München ein Refugee Congress/Flüchtlingskongress stattfinden.

Am Mittwoch, 30. Jänner, sollen Perspektiven der Flüchtlingsproteste rund um die Votivkirche diskutiert werden. Im Anschluss wird es im WUK ein großes Solifest (FaceBook-Link) geben:

Mittwoch, 30.01.2013, 18.30 - 20.00 Uhr
Ort: Hörsaal II, NIG Erdgeschoß, Universitätsstraße 7, 1010 Wien
im Anschluss: Solidaritätsfest im WUK, Währinger Straße 59, 1090 Wien

Seit November letzten Jahres finden in Österreich Flüchtlingsproteste statt, die mittlerweile eine historische Dimension erreicht haben. Nach einem Marsch vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach Wien errichteten über 100 Flüchtlinge im Sigmund Freud-Park ein Protestcamp, das am 28. Dezember von der Polizei geräumt wurde. Mit dem Ortswechsel in die Votivkirche und einem Hungerstreik haben sich Flüchtlinge in Österreich zum ersten Mal in der jüngsten Zeit selbstorganisiert und lautstark zu Wort gemeldet. Seither dauert der Protest an - die Forderungen der Flüchtlinge haben weite Teile der Öffentlichkeit erreicht und eine längst überfällige Debatte rund um das Thema Asyl und Menschenrechte angefacht.

In einer ersten Runde werden die wichtigsten Eckpunkte für die Mobilisierung der Flüchtlinge dargestellt. Danach werden die Forderungen der Flüchtlinge gemeinsam mit Angehörigen der Universität Wien und des Ludwig Bolzmann Insituts für Menschenrechte diskutiert. In der Schlussrunde geht es um die Perspektiven für die politische Mobilisierung und die Forderungen der Protestierenden. Nach der Diskussionsveranstaltung wird zum Solidaritätsfest ins Wiener WUK geladen (Währinger Straße 59, 1090 Wien).

Prof. Dr. Ulrich Brand, Leitung des Instituts für Politikwissenschaft
Marissa Lobo, Aktivistin und Künstlerin, Unterstützerin
Prof. Dr. Prof. Manfred Nowak, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger, Institut für Politikwissenschaft, Forschungsgruppe INEX
Catrin Seefranz, Kulturwissenschaftlerin, Unterstützerin
Mohamad Zafar Shajahan, Refugee Protest Camp Vienna

Während die Refugees für ein besseres Leben kämpfen, arbeiten die Behörden in Österreich und Europa an vielen weiteren Verschärfungen für Asylsuchende und andere Migrant_innen: In Zukunft sollen junge Flüchtlinge quasi dazu gezwungen werden, an der Suche nach Angehörigen mitzuwirken - und somit sich selber und die Angehörigen möglicherweise in Gefahr bringen. Während die Refugees fordern, dass Fingerabdrücke aus den behördlichen Datenbanken gelöscht werden sollen, damit sie bei Ablehnung ihres Asylantrags in einem anderen EU-Land um Asyl ansuchen können, gibt es in Österreich Bestrebungen, noch mehr Datenbanken mit Fingerabdrücken für Schengenkontrollen (und damit in Zügen, Flughäfen und natürlich an den Außengrenzen der Länder des Schengen-Abkommens) heranziehen zu können. Auf EU-Ebene wollen indes Polizei und andere Behörden Zugriff auf Fingerabdrücke von Asylwerber_innen, die in der Eurodac-Datenbank gespeichert werden. Das heißt nichts weniger, als dass Asylsuchende damit unter Generalverdacht gestellt würden.

Doch nicht nur rassistische Gesetze sind das Problem: Auch rassistische Hetze heizt die Stimmung an und bietet eine Basis, mit der sich Rassist_innen ermutigt fühlen, auch gewalttätig zu werden: Allein in den letzten Tagen gab es etwa mehrere rassistische Anschläge und Übergriffe.

Unsere Solidarität gilt den protestierenden Refugees - we are all one!